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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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stellen.
    Evan zuckte die Achseln. »Ich hatte schon immer Angst davor. Dann zog ich hierher und es wurde noch schlimmer.«
    »Die Frau, unverhüllt. Das Wasser, ungeschützt … Das Verschwinden … Glauben Sie nicht, dass all das möglicherweise ein Symbol sein könnte?«, stellte Dr. Blanchard eine Vermutung in den Raum. Es klang wie der schlechte Abklatsch einer Theorie von Sigmund Freud, aber es ergab durchaus einen Sinn. »Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit ist, sich Ihren Ängsten zu stellen?«, fuhr sie fort. »Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit ist, endlich über das Wasser zu sprechen? Seit Joshs Tod verstecken Sie sich davor. Je länger Sie in der Deckung bleiben, desto länger können Sie sich die Schuld für jenen Tag geben. Sie müssen loslassen, verzeihen und diesen furchtbaren Tag hinter sich lassen. Die einzige Möglichkeit, das zu tun, besteht darin, sich selbst zu verzeihen.«
    So langsam merkte Evan, wie ihm die Galle hochkam. Diesen Punkt hatten sie schon bei früheren Gelegenheiten erreicht, und er war davon ausgegangen, ihre 08/15- Persönlichkeitstests ein für alle Mal hinter sich gebracht zu haben. Offenbar unterlag er da einem Irrtum.
    »Mir ist diese Frau gestern Abend nicht aus irgendwelchen Schuldgefühlen heraus begegnet«, stellte er klar. »Aber letzten Endes habe ich meinen Sohn auf gewisse Weise getötet.«
    Dr. Blanchard nickte. »So! Im Grunde genommen haben wir während des vergangenen Jahres also gar nichts erreicht.«
    Zunächst erwiderte Evan nichts darauf, dann schaute er zu ihr auf. »Vor einem Jahr sah ich jedenfalls noch keine Frauen, die sich in den Tod stürzten.«
    »Ich auch nicht«, entgegnete sie. »Ich auch nicht. Und es wäre mir recht, wenn es dabei bliebe.«
    Sie schenkte ihm einen hoffnungsvollen Blick. »Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, Sie sollten an einem Schwimmkurs teilnehmen.«
    Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und zog, nachdem sie lange genug gezappelt hatte, ein wohlgeformtes, in eine Bluejeans verpacktes Bein hervor und legte es auf die Schreibtischplatte.
    »Sehen Sie«, begann sie. »Seit einem Jahr kommen Sie jetzt zu mir. Ich verstehe ja, dass Sie der Vorfall umgehauen hat, aber jetzt ist es wirklich Zeit, in die Zukunft zu blicken. Ihr Sohn wird nie mehr zu Ihnen zurückkehren und Sie trifft keine Schuld an seinem Tod. Sie hatten schon Angst vor dem Meer, bevor Sie es je dafür verantwortlich machten. Nun müssen Sie sich beiden Problemen stellen und ich kann Ihnen beides nicht abnehmen.«
    Sie schwieg für eine Minute, dann lächelte sie. »Ganz ehrlich, ich denke, Sie müssen bloß einmal raus und ins Meer laufen. Ich würde empfehlen, dass Sarah Sie begleitet. Jeder von Ihnen leidet isoliert, obwohl sich der Schmerz gemeinsam doch viel besser ertragen ließe. Ganz im Ernst, Evan, derzeit gibt es nicht mehr viel, was ich für Sie tun kann. Ich kann zuhören. Ihnen ein paar Ratschläge zur Unterstützung von Sarah geben. Aber viel wichtiger ist: Was können Sie für sich selbst tun?«
    Sie senkte den Kopf und bedachte ihn mit dem offensten, intelligentesten Blick, den sie draufhatte. Darüber hätte er beinahe ihre Sommersprossen vergessen.
    »Sie müssen die Konfrontation mit Ihren Ängsten wagen. Und Ihre größte Angst ist das Wasser. Dorthin müssen Sie zurück.«
    »Ich bin jede Nacht dort. Das wissen Sie doch!«
    »Sie sind nicht dort «, sagte sie. »Sie sind bloß in der Nähe . Sie quälen sich selbst, indem Sie den Schauplatz des angeblichen Verbrechens betrachten.« Sie blickte ihn an und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie Josh seinen Seelenfrieden schenken wollen, gibt es nur einen einzigen Weg. Sie müssen vom Strand weg kommen. Und damit meine ich nicht, dass Sie sich von ihm fernhalten. Sie sollten Ihrer nackten Fremden folgen. Sie müssen ins Wasser. Dort sind die Antworten auf Ihre Probleme zu finden. Nicht am Strand. Und auch nicht hier.«
    Mit einer Handbewegung deutete sie auf die sterile Umgebung des Büros mit den Pflanzen in Plastiktöpfen und den weiß lackierten Fensterrahmen. »Ich kann Ihnen gerne zuhören, solange Sie möchten, Evan«, bot sie an. »Aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen noch helfen kann, falls ich überhaupt jemals dazu in der Lage war.«

6
    Das Haus war verlassen, als Evan zurückkehrte, und heute Abend war er eigentlich ganz dankbar dafür. Er stand im Türrahmen zu Joshs Zimmer und starrte auf das Katy-Perry-Poster an der Wand. In einem Punkt musste er Dr. Blanchard

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