Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
herum war überall wilde Magie, ja, ich habe noch nie eine solche Konzentration gesehen wie in jener Nacht. Sie hat uns vom Weg weggelockt, und wir wurden von den Nachtjägern überrascht. Silalio hat gekämpft«, Lila fühlte, wie sein Denken und seine Gefühle stockten, fast wie ein Stolpern, »heldenhaft, aber die Ungeheuer waren uns überlegen. Sie haben sich in den letzten Monaten ausgebreitet wie ein Waldbrand, und ihr Grimm ist noch gewachsen. Sie töten ungestraft in ganz Alfheim.«
Laute des Entsetzens und des Schmerzes kamen aus der versammelten Elfenschar, auch von Astar, die sich rasch entfernte und die Halle verließ. Dieser Anblick schnitt Tath ins ätherische Herz, aber er hielt durch, und Lila fühlte nur eine minimale Veränderung ihres Gesichtsausdrucks, ein leises Herabsinken ihrer Mundwinkel. Sie fragte sich, ob Silalio auch so ein Gänseblümchen bei sich getragen hatte, und vergaß, wie leicht Tath jetzt ihre Gedanken hören konnte.
Nein, hat sie nicht, sagte er bitter. Also steck das Mitleid, das du gerade empfinden wolltest, wieder weg, es sei denn, es galt ihr.
»Es schmerzt mich, das zu hören«, sagte Arië. Tränen standen ihr in den Augen, und sie zeigte ihre Gefühle so offen und mit solcher Intensität, dass sie wie das Inbild der Trauer wirkte. Lila sah nicht hin. Sie ließ Tath weitermachen und versuchte, nicht mitzufühlen, wie Ariës Gesichtsausdruck an seinem Herzen zerrte.
»Tath.« Arië trat vor, streckte die Hand aus, zögerte dann für einen Sekundenbruchteil und ließ sie wieder sinken. Ihr Andalun berührte ganz kurz das seine, und von der Mischung aus Lust und Pein schwanden ihm fast die Sinne. Lila fühlte die seltsame Aufladung dieses Ätherleibs; es war mehr als nur Mitgefühl und mehr als nur Zuneigung. Sie kannte diese überwältigende, berauschende Aufwallung – Arië und Tath waren in ein Spiel verstrickt, das über das offensichtliche Spiel des politischen Kampfes hinausging! Der Zitrusgeruch wilder Magie perlte durch ihren Kopf.
Sie hat dir Liebeshoffnungen gemacht?
Tath antwortete nicht.
»Wenn du dich nicht von dieser Kreatur trennen lassen willst, habe ich dir keinen anderen Trost zu bieten, aber deine Selbstlosigkeit ehrt dich sehr«, sagte Arië. »Komm, iss mit uns, ehe wir uns weiter dieser schwierigen Aufgabe widmen. Da ist jemand, mit dem ich dich zusammenbringen möchte.«
Sie drehte sich um, und ihr Gefolge erhob sich rasch und lautlos, um ihr zu folgen. Dar blieb ein wenig zurück, aber nicht weit genug, dass Taths und sein Ätherleib sich hätten berühren können, und Tath wollte ihm nicht in die Augen sehen.
Lila überdachte noch einmal ihre Lage, während sie aus der Seepalasthalle in einen weiteren prächtigen Raum mit glasartigen Wänden und lebenden Tapeten gingen. Jeder der beiden Elfen würde jeden töten, aus Gründen, die sie immer noch nur vage erahnte und die so verworren waren wie Seetang: Politik, Familieninteressen, Magie, Liebe. Sie wollte nur Zals Haut retten, keinen internationalen Zwischenfall provozieren. Aber das eine wie das andere schien völlig jenseits ihrer Kontrolle. Dann setzten sie sich an einen wunderschön geschwungenen Tisch von der Form einer sanften Welle. Obwohl ihr Leben an einem seidenen Faden hing und ihr die Vorstellung, die Speisen Sathanors auch nur anzurühren, zutiefst widerstrebte, hatte Lila großen Hunger. Also aß sie, und für ein paar Augenblicke, ehe die Schuldgefühle einsetzen konnten, vergaß sie alles außer der schieren Lust, am Leben zu sein. Dann saß sie da und beobachtete und hoffte, dass Arië der Versuchung nicht würde widerstehen können.
21
Sie brauchte nicht lange zu warten. Nachdem sie in förmlichem Schweigen gegessen und getrunken hatten und der erste Gang von Bediensteten – die, wie Lila bemerkte, mehr Ähnlichkeit mit Dar als mit Arië hatten – abgeräumt worden war, öffnete sich die Tür, und die Wachen, die sie zu dem Gespräch mit Astar gebracht hatten, führten Zal herein.
Er sah nicht anders aus als vor einem Bühnenauftritt, dachte Lila, und sie war froh, dass sie saß. Jede Faser und jedes Elektron ihres Körpers sang in einem Moment absoluter Harmonie. Jetzt, wo sie Elfengesichter gewohnt war, schien ihr Zals Familienzugehörigkeit unübersehbar. Er war von Ariës Typus, obwohl er für einen Elf aus einer so hohen Kaste ziemlich kräftige, fast schon menschenähnliche Züge hatte. Das Auffälligste waren seine Augen: braun unter dunklen Brauen. Es
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