Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
erwies sich jetzt das Gegenteil. Ein Grund, warum Incon sie zu diesem Einsatz abgestellt hatte, war der Verdacht, dass alfheimische Extremisten Zal als Opfer auserkoren hatten, um Publicity für ihre Sache zu erlangen. Ihre wahren Beweggründe hatten allerdings nichts mit Rockstars oder auch nur mit abtrünnigen Elfen zu tun, sondern allein mit ihrer Abwehrhaltung gegen otopische Technologien, insbesondere gegen Kernreaktoren und Cyborgsysteme, die ihnen ein Gräuel waren. Für einen Elfen gab es nichts Abscheulicheres als die Vorstellung, dass ein natürliches Lebewesen von leblosen Maschinen infiltriert wurde. Natürlich traf es Lila in ihrem Stolz und den letzten Resten ihrer Eitelkeit, dass Zal jetzt einen Grund hatte, sie zu verabscheuen, aber das Schlimmste war der Gedanke, dass ihre Tarnung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgeflogen war. So viel zu ihren Fähigkeiten als Agentin.
Die Sonne fiel wieder ungehindert auf sie, als Poppy zurücktrat. Das Licht bohrte sich wie eine Lanze in Lilas Gehirn. Sie wünschte, sie könnte weiterschlafen – eine Million Jahre.
Zals Stimme sagte irgendwo rechts und etwas unterhalb von ihr: »Das Gegenmittel müsste es nach etwa einem Tag aufheben.«
Einem Tag! Lila zuckte innerlich zusammen. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, einen ganzen Tag lang Poppys neue Robo-Barbie zu sein, aber noch ehe sie den Gedanken wegschieben konnte, sah sie sich bereits, immer wieder neu ausstaffiert, als lebende Statue irgendwo aufgestellt, während Poppy in einem fort schwärmte, was das doch für ein Spaß sei. Allerdings waren Feen in ihrer menschlichen Gestalt normalerweise freundlich. Poppy würde wohl dafür sorgen, dass ihr nichts passierte. Trotzdem war es unerträglich, aber Zal war noch nicht fertig …
»Ich kann’s wahrscheinlich beschleunigen.« Sie hörte ihn aus dem Pool steigen, und dann erschien er in ihrem Gesichtsfeld, eine schlanke Silhouette, von Tropfen glitzernd.
»Sie wird ja so sauer sein«, flüsterte Poppy neben ihm.
Lila sah Poppy als einen grünlichen Schemen, umspielt von wehendem, durchsichtigem Stoff. Sie stand so dicht bei Zal, dass zwischen ihnen nur ein schmaler Lichtspalt entstand. Poppys Silhouette zappelte, und ihre Stimme klang irgendwie überdreht.
»Bitte, Zal«, sagte sie. »Du kannst doch mit ihr reden. Sie mag dich. Sie wird sich schon wieder abregen. Ich bin so müde, ich muss eine Runde schlafen. Ach, komm, schau mich nicht so an. Du hast mir verziehen, schon vergessen? Bitte, bitte? Ich würd’s für dich auch tun.«
Zal lachte und verschränkte die Arme vor der Brust.
Poppys Ton wechselte jetzt von Flehen zu gespieltem Zorn, wie ihn sich nur sehr gute Freunde untereinander leisten konnten. »Du bist manchmal so ein verdammt schnöseliger Hochelf. Mach schon.«
»Nur wenn du schwörst, keinen Pixiestaub mehr zu nehmen, bis die Tour vorbei ist. Deshalb kannst du nie schlafen. Und wenn ich es wieder hinbiegen muss, kriege ich jedes Mal Kopfschmerzen.«
»Ich schwör’s, ich schwör’s!« Poppy hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
»Und keine verzauberten Messer mehr und keine mitternächtlichen Anschlagversuche durch vorpubertäre Mitverschwörerinnen? Damit ich dann den ganzen Dreck bereinigen und meinen eigenen Bodyguard retten muss?«
»Nein, nein, nein! Komm, Zal, mach schon. Ich tu alles, Baby, alles, ich schwör’s, bitte! Das ist das letzte Mal, versprochen! Ich werde ganz brav sein.«
»Schwindlerin«, sagte er resigniert, nahm sie in die Arme und küsste sie. Er hob sie hoch, und sie verschwanden aus Lilas Blickfeld.
Die Sonne brannte auf Lila herab, wenn auch die Sonnenbrille das Schlimmste abhielt. Sie kämpfte darum, wenigstens einen Finger zu bewegen. Nichts.
»Mmmmm«, schnurrte Poppy irgendwo und gähnte dann. »Sehr gut. Noch mal, bis ich das Meer nicht mehr höre …«
Lila erinnerte sich, dass Poppy in der Nacht genauso gegähnt hatte, ganz unvermittelt, in dem Moment, als Zals Elfencousine sie berührt hatte.
»Mein Wiedergutmachprinz …«, hörte sie Poppy seufzen.
»Scheißpixiezeug«, murmelte Zal fast unhörbar.
Holz knarrte. Der Wind pfiff in den Bäumen. Lilas Negligé flatterte, und ihr Haar wurde gezaust. Irgendwo in der Nähe raschelte schwererer Stoff. Lila war irritiert – sie hatte gedacht, Poppy und Zal hätten etwas ganz anderes vor, aber irgendwie hatte er sie einfach nur eingeschläfert. War das ein Element der Elfen-Feen-Interaktion, von dem sie noch nie
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