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Lila Black 02 - Unter Strom

Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Sie schnitten die Brücke ab und machten aus ihren Seilen und Planken ein Floß mit einem schäbigen Segel aus Leinensäcken. Ein Boot wäre zerstört worden, aber sein Gefährt war ohne Tiefgang. Mit einigen Stößen einer stabilen Stange kam es sicher über die Korallen hinweg. Er sang dem Wind Tanquos Lied vor.
    Zal erinnerte sich daran, wie das bunte Segel Tag und Nacht im Rhythmus des Windes flatterte, wie sich seine zusammengewürfelten Farben grell vor dem leeren Horizont abzeichneten; und nachts war es ein dunkler Schutz vor der erschreckenden Helligkeit der Sterne.
    Suha sang tagsüber und ließ sich nachts treiben. Er wiederholte den Namen seines Vaters wie ein Mantra, bis er einschlief: Sharadar Zanhaklion.
    Er wurde ohne das Floß angespült und erwachte halb mit Sand bedeckt. Es war dunkel, ihm war schlecht vom Salz, und das Meer hatte ihn wund gescheuert. Es war eine mondlose und bewölkte Nacht, es war feucht dort, wo er war, und in der Luft lagen die Geräusche von Insekten und Fröschen. Er lag eine Weile dort, suchte mit seiner Seele die Seele dieses Ortes, verband sich mit ihr und nutzte sie als Unterstützung, als er den Ozean aus seinem Körper bannte. Als er das tat, wurde es unweit von ihm still.
    Die Stille bewegte sich wie eine Schlange im Gras, näherte sich ihm in einem Streifen, wie ein junger Fluss. Suha spürte, dass die kleinen Tiere flohen, während der ungeformte Äther in einem nebligen Zauber durch die Dunkelheit auf ihn zukam. Die Geräusche der Natur verstummten, ließen eine gewaltige, fordernde Stille zurück, die wie ein Ausrufezeichen wirkte. Über den Pfad der Magie kam etwas auf ihn zugetrottet, das seine Füße mit größtem Geschick und größter Sorgfalt setzte und keinerlei Störung verursachte. Er spürte es nur als Klopfen in seinem eigenen Andalun, eine witternde, neugierige, hungrige Präsenz, ein lauschender Geist, der ihn ebenso sehr hörte wie er ihn. In diesem Moment erkannte er, dass es dem ungeformten Äther nicht folgte, sondern ihn vorwegschickte, so wie ein Jäger seinen besten Hund aussandte, um die Spur des Wildes aufzunehmen.
    Zal erinnerte sich an den Geschmack von Salz und Sand, an die eisige Angst vor dem heranschleichenden Ding, welche die Dankbarkeit für sein Überleben verdrängte. Er dachte daran, wie dunkel es war – er konnte die Hand vor Augen nicht sehen.
    Suha versuchte wegzulaufen, aber die Ätherspur folgte ihm unerbittlich, und die schleichenden, beinahe lautlosen Schritte kamen näher. Er strengte sich stärker an, stolperte durch eine unbekannte, spärlich bewachsene Landschaft. Es näherte sich, aber langsam. Es hatte Zeit. Es besaß eine unverdrießliche Gewissheit, die ihn zermürbte, indem sie ihn zu immer riskanteren Manövern verleitete, um zu entkommen.
    Er fiel in Gräben. Verrenkte sich die Knöchel an lockeren Felsen. Er versuchte, schneller vorwärtszukommen. Es gab Momente, in denen er es abgeschüttelt zu haben glaubte, aber die Stille wurde nicht ein einziges Mal unterbrochen. Und dann kam die Ätherspur, und dann die Schritte. Seine Angst, sein Ärger, seine Wut wurden größer … aber mit der Zeit vergingen sie, und schließlich, als er schon auf abgeschürften Händen und Knien kroch, musste er anhalten. Er setzte sich und akzeptierte, dass er nicht entkommen konnte.
    Zal erinnerte sich daran, wie er zusammengekrümmt im Matsch lag und nach einer Lösung suchte, nach einem magischen Trick, den er nutzen könnte – aber er war zu weit entfernt von den geübten Zauberern der Welt aufgewachsen. Sein ätherisches Wissen erschöpfte sich in der Kenntnis, wie man Feuer machte, Feuer löschte, Wasser aus dem Grund heraufbeschwor und durch Handauflegen heilen konnte, solange die Verletzungen nicht zu schwer waren. Niemand aus seiner Familie hatte ihm mehr zeigen können, und abgesehen davon verachtete er seine Kraft. Er wollte wie seine Brüder und Schwestern sein.
    Er erinnerte sich an die Berührung des reinen Äthers – ein Nebel voller Versprechen, in dem er sich lebendiger denn je fühlte. Die Schritte klangen stärker im Boden nach, und dann roch es wie bei einem Gewitter, und auch etwas nach einem Tier. Eine große Kreatur war ganz nah. Ihr Atem traf heiß auf seine Haut. Es stank nach altem Fleisch.
    Er erinnerte sich an eine Stimme, in der ein Lächeln lag. »Ich habe dich gehört.« Sie klang amüsiert und ein bisschen unsicher.
    »Zurück, zurück, zurück, Teledon.« Das Geräusch eines leichten Schlag ertönte,

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