Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson

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sich nicht auf die Spur gesetzt. Ich spüre ihre Berührungen. Feen. Sie werden wissen, dass es ein Dämon war und dass er mittels eines Totentors durch die Zeit herkam und wieder ging. Er riss deine Eltern mit sich.
    Aber sie starben …, sagte sie zögerlich.
    Tath schwieg.
    Tath, wenn sie nicht starben … warum sehen sie dann auf dem Foto so tot aus? Warum hat man sie weggebracht, um sie … Sie verstummte plötzlich. Ein Schauder durchlief sie, der nichts mit ihm oder mit dem Ort, an dem sie sich aufhielten, zu tun hatte. Sind sie tot?
    Wenn eine Seele das Tor durchschreitet, wird der zurückbleibende Körper so lange am Leben bleiben, bis er zu schwer beschädigt wird. Stirbt er, bleibt die Seele in Thanatopia, wie bei jedem Toten. Überlebt er, kann die Seele zurückkehren. Aber nur Nekromanten können Thanatopia aus eigenem Willen betreten oder verlassen. Nur wer einen Pakt mit den Untoten geschlossen hat, kann die Barriere durchschreiten. Wenn man hinübergebracht wird, dann muss man auch zurückgebracht werden.
    Also stecken sie praktisch dort fest?
    In bestimmten Dynastien war dies eine Strafe, sagte Tath tonlos. Er führte es nicht weiter aus, und Lila fragte nicht nach.
    Wenn sie zurückkommen … macht es dann einen Unterschied, wie viel Zeit vergangen ist? Kann jeder zu jeder Zeit zurückkehren? Sie versuchte sich nicht zu viel Hoffnung zu machen, nicht davon zu träumen, dass alles in Ordnung kommen könnte.
    Die Rückkehr nach einigen Jahren war der letzte Teil der Strafe, sagte Tath. Der Zerfall fordert seinen Tribut. Je länger die Trennung andauerte, umso schlimmer das Ergebnis, denn Zeit verstreicht in Thanatopia anders. Nach einer langen Zeit kann es keine Wiedervereinigung geben.
    Schlimmer als der Tod?
    Man nennt sie die Zerrissenen. Verlorene Seelen, die leben und sie selbst zu sein scheinen, aber beständig zwischen den Realitäten hin- und hergerissen sind. Das ist keine angenehme Existenz. Sie wissen nicht, ob sie leben oder tot sind.
    Lila saß eine Weile schweigend da. Was passiert dort drüben mit den normalen toten Leuten?
    Während du hier lebst, hast du in Thanatopia ebenfalls ein Leben, das dem hier exakt gleicht, in jeder Beziehung. Aber dort existierst du nur in der Astralform, als Energie. Bei deinem Tod wird der Körper freigelassen, und du kannst in der stofflichen Realität nicht mehr bestehen. Danach erlebt das astrale Selbst eine kurze nicht stoffliche Existenz in Thanatopia. Die Lebenden und die Toten sind dort präsent, aber in unterschiedlichen Formen. Es ist schwer zu erklären, man muss es sehen.
    Also kann ich mit Leuten sprechen, die tot sind?
    Ja. Du kannst sogar mit ihnen sprechen, während sie noch lebten, aber niemand außer den Nekromanten weiß davon. Es ist unser Geheimnis.
    Lila kam eine Idee, aber Tath zerschlug sie sofort: Du kannst nicht zurückgehen und sie warnen. Die Art und Weise, wie dieses Gespräch abliefe, würde sie nur in Angst versetzen. Nur wenige Leute können den Warnungen ihrer Totenform folgen, vor allem wenige Menschen. Das Astrale spricht nicht mit einer Stimme. Seine Entschlossenheit war offensichtlich.
    Gut, sagte sie. Wenn wir gehen, gehen wir. Bringen wir es hinter uns. Die Spaghetti müssten in etwa zwei Minuten fertig sein.
    Wie du wünschst, sagte er.
    Wie …, setzte sie an, aber da war das Zimmer bereits verschwunden.

22


    Zal erwachte mit einem Ruck. Er erwartete, Geister zu sehen, Glocken zu hören, den Ozean zu spüren, aber stattdessen hörte er die Geräusche eines entfernten Fernsehers und spürte eine weiche Hotelmatratze. Er drehte sich auf die Seite und blickte in das unerschütterliche riesige Terrakotta-Gesicht von Herrn Kopf; im Halbdunkel wirkte er wie ein gigantischer schwarzer Berg.
    Er erschrak so heftig, dass er beinahe auf den Boden rutschte. Das Betttuch bis ans Kinn hochgezogen, starrte er auf die unbeweglichen Züge und die offenen Augen.
    »Eine Buddhastatue hätte das niemals getan«, sagte er vorwurfsvoll, auch wenn er selbst nicht so recht wusste, was er damit meinte.
    Der Lehmmann lag einfach dort, eine unhandliche Statue, wie man sie nach einem Gelage aus dem Vorgarten eines Nobel-Hotelinos stehlen mochte. Zal blickte sich um, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und die Einrichtung erkannten. Er mochte irgendwo in Otopia sein, aber er war mit Sicherheit in einem Bellevue-de-luxe-Appartement. Es sah aus wie das, welches er in Illyria verlassen hatte. Das taten sie