Lila Black 02 - Unter Strom
sie sich bewegte, hörte sie deutliches Flüstern vom musikalischen Klangteppich aufsteigen … Freunde der Familie wünschten ihr einen langsamen und qualvollen Tod … Flüche, die Schwäche hervorrufen sollten … Bitten um Gefallen … anonyme Ausbrüche der Bewunderung … ausdrückliche Einladungen zum Sex, zur Jagd, zu Abenteuern, zur Kunst, zum Abendessen … Es erinnerte sie mit einem Mal an den Augenblick, als sie vor den Mitgliedern des Rats in Alfheim gestanden und deutlich deren unausgesprochene Verachtung, Geringschätzung und Hass gespürt hatte. Der Unterschied war, dass hier nicht einmal diejenigen, deren Herzenswunsch es war, ihren Kopf in einer Trophäensammlung zu sehen, auch nur eine Spur von Ekel zeigten. Sie wünschten ihr mit absolutem Respekt alles Schlechte. Und diejenigen, die sie mochten … deren Bewunderung war grenzenlos. Es wurde ihr klar, dass keiner von ihnen auch nur eine Spur Mitleid mit ihr hatte.
Seltsamerweise zog ein Lächeln an ihren Mundwinkeln, und sie wurde größer, obwohl keine Cyborg-Kraft mehr verfügbar war, um sie weiter aufzurichten.
Junkie, flüsterte Tath.
Bist nur neidisch, antwortete sie.
Magie stieg sanft vom Tisch auf, wie Blasen in einem heißen Bad. Sie sah, wie die Leute ihren Kopf hineinsteckten, und dann schien die Magie sie zu leiten, sie bei der Hand zu nehmen. Viele taten es und dachten nicht weiter darüber nach, so wie sie achtlos einen Drink oder ein Kanapee vom Tablett nahmen.
Lila ging näher an den Tisch heran und tat so, als würde sie den Blick darüberschweifen lassen, dabei hatte sie schon lange gelernt, sich das Essen niemals zu genau anzusehen. Als wüsste sie, was sie tat, streckte sie die Hand aus und spürte die Magie daran ziehen.
Richtig so. Stürz dich rein, knurrte Tath. Magie, die du nicht kennst – einfach mal anfassen …
Wenn du keine konstruktive Kritik zu äußern hast … Aber da sah Lila, wohin sie geführt wurde, und wünschte, sie hätte es nicht getan.
Die magische Strömung zog sie sanft, aber unausweichlich zu einer kleinen, durch Becken mit einer brennenden Flüssigkeit beleuchteten Nische, in deren Mitte ein Thron stand. Er war mit Schnitzereien vieler Kreaturen und des Siegels des Hauses Sikarzi – eine Schlange und ein Einhorn – verziert; darauf saß eine hochgewachsene und schlanke Medusoide in Türkis und Gold. Die zum Thron Geleiteten gaben dieser Person Geschenke, wenn sie an der Reihe waren, und taten auch sonst Dinge, die für Lila nach einem Dank für die Einladung aussahen.
Ich brauche ein Geschenk, sagte sie verzweifelt zu Tath und erinnerte sich dann an ihre Situation. Ich brauche eine Armee …
Zeige keine Angst, antwortete er mit plötzlicher Überzeugung. Und keine Reue. Wir sind jetzt in ihrer Welt.
Lila aktivierte die Emotionsblockade.
Nein. Das werden sie spüren. Sie können Gefühle lesen. Das ist eine ihrer Künste. Du musst es selbst machen. Darauf basiert ihre Welt. Welche Dummheit sie auch immer vorhaben, sie muss aufrichtig begangen werden, sonst bedeutet sie nichts.
Ich kann das nicht! Die Schlange derer, die ihren Respekt erweisen wollten, wurde vor Lila zusehends kürzer, und nun, als die Medusa sie erblickte, spürte Lila ihre Aufmerksamkeit wie einen Suchscheinwerfer in einer Welt der Dunkelheit. Selbst wenn sie denken, es wäre belanglos …
Das tun sie nicht. Glaub mir.
Das hilft nicht wirklich!
Sei aufrichtig. Sei stark.
Lila sah sich nach Sorcha um, aber sie war weit entfernt. Dann war sie an der Reihe. Der Dämon vor ihr schwebte in einem Wirbel aus Fell und Perlen elegant beiseite. Lila stand vor der Mutter ihres Opfers, in sein Blut gehüllt. Sie fühlte sich so einsam und unsicher wie niemals zuvor. Ihr Leben hing davon ab, dass sie das hier nicht versaute. Sie dachte an Zal, stellte sich vor, was er tun würde.
Die Principessa Sikarzi starrte sie aus gelben Schlangenaugen an, das wunderschöne Frauengesicht kalt und ausdruckslos wie eine von Meisterhand geschnitzte Maske. Ihr Haar bestand aus goldenen Vipern, und sie alle hatten sich aufgerollt und blickten sie an, mit zuckenden orangefarbenen Zungen. Jede Wärme und Freude waren von der Dämonin gewichen. Sie konzentrierte sich auf Lila, als gäbe es sonst nichts im Universum. Das Ende ihres Schwanzes, das während der Gespräche gezuckt und gezittert hatte, erstarrte. Lila spürte, wie die Zeit, die ihr gegeben wurde, verrann …
Lila starrte zurück. Sie rief sich Zal in ihre Vorstellung, versuchte
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