Lila Black 02 - Unter Strom
synthetische Haut wirkte genauso wächsern und aschfahl wie die echte. Der Dreck in ihrem Haar und auf ihrem Gesicht, wo sie magische Narben hatte, bildete einen starken Kontrast zu dem blaugrünen Dämonenblut, mit dem sie von Kopf bis Fuß bekleckert war. Auf ihren Armen, die wie Schienen zu beiden Seiten abstanden, hingen Handtücher und Sorchas abgelegte Kleidung. Sie ließ die Arme sinken, und alles fiel von ihnen ab.
»Was sagen meine Farben aus?«, fragte sie. Eine schwache Erinnerung stieg in ihr auf, wie sie mit ihrer Mutter in ein Geschäft ging und mit der Verkäuferin über Farben sprach. Es hatte etwas damit zu tun, was man womit kombinieren sollte. Die Dämonenwelt war in Farben gebadet, und jede bedeutete etwas.
Sorcha musterte sie mit einem kritischen Blick von Kopf bis Fuß. »Deine Farben sagen: Hier kommt eine wirklich heftige Schlampe!« Sie lachte und schob ihren eleganten, kleinen, klauenbesetzten Fuß in rubinrote hochhackige Schuhe. »Entlockt dir das kein Lächeln?« Lila dachte nach. »Was bedeuten Ihre Farben?«
»Meine Farben sagen aus, dass ich eine ungeformte kreative Naturgewalt bin – das ist die Impasto-Aussage, die der vorrangigen Farben. Schwarz steht für das Nichts, für das Ende und die Ewigkeit, für den ewigen Rhythmus von Leben und Tod. Aber ich bin nicht nur schwarz, denn nur wenige sind von nur einer Farbe. Ich habe diesen rötlichen Schimmer, der ganz und gar für Glück und Freundlichkeit steht. Es ist ein dunkles Rot, also besitze ich viel Leidenschaft, aber es ist immer noch Rot, also bin ich eine zivilisierte Königin dessen, was ich betrachte, keine grünhäutige Barbarin. Dann zeigt mein Haar das Feuer des Tages, meine Stimmungen an – welches Sorcha-Menü man erwarten sollte, zeigt es durch die Flamme an; wie ich bin … ist ständigen Schwankungen unterworfen. Einige Dämonen tragen sie auf ihrem Rücken, auf den Flügeln, wo auch immer, aber man muss sie den anderen doch zeigen, damit sie es wissen können, nicht wahr? Und ich trage Weiß, um der Dämonenmutter, zu deren Party wir gehen, zu zeigen, dass es mir leidtut, dass ihr Sohn tot ist, auch wenn er ein feiges Stück Dreck vom Grund eines Moors war, an dem ich nicht einmal meine Schuhe abgeputzt hätte.« Sie endete mit offensichtlicher Abscheu und fügte dann scheinheilig hinzu. »Das gebietet die Höflichkeit.«
»Ihre Augen sind rot.«
»Ich habe eine intellektuelle Ader«, sagte Sorcha stolz. »Ich bin eine Gelehrte.«
Lila beschloss, nicht zu erwähnen, dass die Menschen rote Augen bei einem Dämon für ein Zeichen unstillbarer Bosheit hielten, aber sie dachte darüber nach. »Was ist mit Federn?«
»Sie gelten als Impasto – das Porträt des ätherischen Selbst. Aber man kann sein niederes Selbst auch mit Sekundärfarben bemalen oder behängen, die mehr über einen verraten; Limone, Indigo, solche Sachen. Und diese Farben zeigen sich immer in der Flamme …«
Sorcha legte eine lilafarbene Halskette um. »Für meinen starken Geist«, sagte sie. »Keine Sorge, niemand erwartet, dass du die Palette lesen kannst. Sie werden dir sagen, was du wissen musst.«
»Wenn Rot nicht die Farbe der Gefahr ist …«
»Weiß«, sagte Sorcha, ohne zu zögern. »Sei bei Dämonen mit Weiß immer vorsichtig. Es ist auch die Farbe der Trauer, darum mein Outfit. Aber du gehst, wie du bist. Bereit?«
Fantastisch, dachte Lila. Sie zog die Feder hervor, die Teazle ihr gegeben hatte. »Entzünden Sie die.«
Sorcha streckte eine perfekte Hand aus und pflückte das kleine Ding aus Lilas Griff. Sie betrachtete es eingehend, roch und leckte daran.
»Sie ist weiß«, sagte Lila hilfsbereit.
»Das sehe ich«, erwiderte Sorcha leise. Ihre Haare wurden zu einem weinfarbenen Flammensturm, durchzogen von Blitzen warnenden Blaus. »Du hast nicht erwähnt, dass es dieser Bruder war, der zum Fenster hereinkam. Was hat er gesagt?«
Lila sagte es ihr.
»Weißt du, was an Weiß so schwierig ist? Weiß besteht aus allen Farben zugleich. Man weiß nie genau, was zur Hölle mit demjenigen los ist, nur, dass er alles sein könnte, jede Kraft nutzen wird und es nichts gibt, das er nicht tun würde. Weiß entspricht Blindheit. Weiß ist eine Zurschaustellung der Macht, die alles verschleiert, jedes Motiv, jede Handlung.« Sorcha legte kalte Verachtung in diese Worte, die ihr Lila nicht zugetraut hätte.
»Der Assassine, über den du dir solche Sorgen gemacht hast … dies hier gehört ihm.« Sie klang nun nachdenklich. »Aber es
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