Liliane Susewind – Ein kleines Reh allein im Schnee (German Edition)
auf, rief »Ich bin sofort wieder da!« und lief in die Hütte. Dort schnappte sie sich das Lexikon der Tierwelt , das noch immer im Wohnzimmer lag, und rannte zurück in den Stall.
»Hier.« Sie rang nach Atem. »Hier drin ist ganz viel Wissen über Tiere!« Sie hielt Nasibart das Buch unter die Nase.
Das Murmeltier machte große Augen. Auf dem Buch waren ein Löwe, ein Adler, ein Wal und eine Ameise abgedruckt. »Oh …«, staunte Nasibart. »Faszinierend.« Seine große Nase stieß auf das Buch. »Ich glaube, ich kann bereits lesen.«
»Wie bitte?«
»Ich bin in der Lage, diese Schrift zu enträtseln!« Seine Pfote fuhr auf das Bild des Adlers. »Das hier ist zum Beispiel einer meiner größten Feinde, der Klauenflieger. Ich kann das hier über ihn lesen!«
»Das ist keine Schrift. Das ist ein Bild. Ein … Foto!«, erklärte Lilli verwundert. Doch woher sollte das Murmeltier wissen, was Fotos waren? »Fotos sind leicht zu erkennen. Das muss man nicht erst lernen.«
Nasibart kräuselte pikiert die Nase. »Soso …«
»Das hier ist Schrift!« Lilli schlug das Buch auf und wies auf ein Textfeld. »Soll ich dir etwas über den Adler vorlesen – über den Klauenflieger?«
»Nein«, entgegnete Nasibart. »Den kenne ich besser, als mir lieb ist. Lies mir etwas über … den hier vor!« Seine Pfote wies auf ein Bild von einem Pinguin. »Den kenne ich nicht.«
»Okay!« Lilli begann zu lesen. »Ein Pinguin ist ein Seevogel, der nicht fliegen kann …«
»Was? Ein Vogel, der nicht fliegen kann?«, wunderte sich Nasibart und hörte Lilli mit gespitzten Ohren zu, während sie weiterlas. Die Informationen über den Pinguin schienen ihn schwer zu beeindrucken. »Unfassbar!«, stellte er fest, als Lilli fertig war. »Vögel, die statt zu fliegen ständig schwimmen gehen …«
»Es gibt noch viel mehr total unglaubliche Sachen in der Tierwelt!« Lilli war selbst ein bisschen aufgeregt vor Begeisterung. »Es gibt Tausende von verschiedenen Tierarten! Und jede einzelne ist auf ihre Weise superfaszinierend!«
Nasibart grunzte zustimmend. »Darüber muss ich unbedingt noch mehr hören. Bald.«
Lilli nickte. »Ich verspreche dir, dass ich alles versuchen werde, um dir Lesen beizubringen.« Sie schlug das Buch zu. »Aber jetzt muss ich erst einmal Jesahja und Reena helfen.« Bittend sah sie Nasibart an. »Verrätst du mir, wie wir so schnell wie möglich ins Dorf hinunterkommen?« Wenn Nasibart die Lösung für ihr Problem kannte, musste er sie ihr einfach verraten!
Nasibart seufzte ein Murmeltierseufzen. »Nun gut.« Er streckte die große Nase vor. »Ich sage dir, wie. Ich bin allerdings überrascht, dass du nicht selbst darauf kommst.«
»Worauf?«
Nasibart schnaufte. »Was machen Menschen denn, wenn viel Schnee liegt und sie einen Berg hinunterwollen?«
Lilli sog laut die Luft ein. »Sie fahren Ski!«, rief sie und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wir fahren mit den Skiern ins Dorf hinunter!« Darauf hätte sie tatsächlich selbst kommen können!
Nasibart wackelte jedoch abwehrend mit dem Kopf. »Du vergisst etwas.«
»Was denn?«
»Wenn ihr unten seid, müsst ihr auch wieder hinauf, um Reena und Jesahja zu helfen. Und zwar so schnell wie möglich. Wie lange braucht ihr wohl, um im tiefen Schnee den Berg hochzukommen?«
Lilli biss sich auf die Unterlippe. Das hatte ihre Mutter auch schon zu bedenken gegeben. »Zu lange«, gab sie kleinlaut zu.
»Deswegen müsst ihr Jesahja und Reena mit hinunter ins Dorf nehmen.«
»Was?« Lilli atmete scharf ein. »Aber … wie denn?«
Nasibart streckte seine Nase so weit vor, dass sie Lillis Nase beinahe berührte. »Mit einem Schlitten.«
Die Hirsche des Waldes
»Mit dem alten Pferdeschlitten ins Dorf hinunterfahren?«, rief Lillis Mutter entsetzt. »Auf keinen Fall! Das ist viel zu gefährlich!«
»Mama, es ist die einzige Möglichkeit, so schnell wie möglich ins Tal zu kommen und Reena und Jesahja mitzunehmen!«, entgegnete Lilli.
»Ich glaube, du übersiehst etwas«, wandte Lillis Oma ein. »Ich habe den Schlitten zwar wieder instand gesetzt. Aber wir haben keine Pferde, die ihn ziehen könnten!«
»Richtig.« Lilli zog freudig die Nase kraus, da Nasibarts Lösung für dieses Problem einfach genial war. »Wir brauchen auch keine Pferde.«
Ihre Eltern und Oma blickten sie mit großen Fragezeichen in den Augen an.
»Wir werden den Schlitten von Rehen ziehen lassen«, erklärte Lilli.
»Was?« Ihre Mutter schnappte nach Luft.
»Ja.«
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