Liliane Susewind – Ein Panda ist kein Känguru (German Edition)
Sender, ich muss heute noch ein paar Dinge mit dem Programmchef klären.« Sie gab Lillis Vater einen Kuss, und schon war sie verschwunden.
Gleich darauf erhob Lillis Oma sich. »Ich gucke mal nach der Waschmaschine, die macht so komische Geräusche«, sagte sie und ging in den Keller.
Lillis Vater begann, den Tisch abzuräumen. »Und ihr zwei wollt heute wieder Tiere retten?«, fragte er Lilli und Jesahja gut gelaunt.
Lilli erstarrte. Doch Jesahja antwortete: »Ja, genau.«
»Na, dann viel Spaß euch beiden!« Herr Susewind lächelte und brachte das schmutzige Geschirr in die Küche.
Lilli blickte ihm schuldbewusst nach. Ihr Vater dachte bestimmt, dass sie wieder zum Zoo fahren wollten. Bei dem Gedanken daran bekam sie ein furchtbar schlechtes Gewissen. Und als das schlechte Gewissen einmal da war, erkannte Lilli, dass es nicht nur mit ihrem Vater und dem Verbot ihrer Mutter zu tun hatte, sondern auch damit, dass sie an diesem Tag eigentlich nach Kylie, dem Känguru, hätten sehen sollen. Das hatten sie mit Frau Essig-Steinmeier am Tag zuvor so ausgemacht. Aber Lillis Albtraum war so schlimm gewesen, dass sie gar nicht anders konnte, als nach Zupplingen zu fahren.
»Gehen wir unsere Sachen holen«, riss Jesahja sie aus ihren Gedanken. Zehn Minuten später machten sie sich auf den Weg. Jesahja hatte alles genau geplant: Sie nahmen den Bus zum Hauptbahnhof und kauften dort ihre Zugtickets für die Fahrt. Lilli hätte sich so etwas niemals allein zugetraut. Am Bahnhof wimmelte es von eiligen Menschen, und es gab verwirrend viele Züge und Gleise. Doch Jesahja führte sie zielsicher zum richtigen Gleis und setzte sich wenig später mit ihr in den Zug nach Zupplingen. Lilli konnte die Fahrt, die an bunten Herbstwäldern vorüberführte, allerdings nicht genießen. Sie war viel zu aufgeregt. Wie würden die fremden Tiere des Tierparks auf sie reagieren? Und wie sollten sie an das Pandababy herankommen?
An der Station »Tierpark Zupplingen« stiegen sie aus, und kurz darauf standen sie vor dem Eingang des Parks. Vor den Kassen warteten unzählige Menschen in mehreren langen Schlangen.
»Wieso sind denn so viele Besucher hier?«, ächzte Lilli. »Es ist doch Herbst, und da ist im Zoo nie viel los!«
»In den Zeitungen und im Fernsehen wurde jeden Tag über die Geschichte mit dem Pandababy berichtet«, erinnerte Jesahja sie, während sie sich in eine der Schlangen einreihten. »Das zieht offenbar jede Menge Leute an.«
»Uff«, machte Lilli. So viele Leute … und scharenweise Tiere, die sie noch nicht kannten! Da war die Gefahr aufzufallen riesengroß. Lilli ließ besorgt den Blick schweifen. »Der Eintritt kostet zehn Euro pro Person!«, entfuhr es ihr im nächsten Moment.
Jesahja wirkte nicht besonders überrascht. »Damit hab ich gerechnet. Keine Sorge, ich habe genug Geld dabei.«
»Wirklich? Wieso?«, fragte Lilli. Jesahja hatte auch schon die Zugtickets bezahlt.
»Meine Eltern haben mir vor kurzem Geld geschickt. Weil sie mir ja nicht regelmäßig Taschengeld geben können, bekomme ich meistens ziemlich viel auf einmal.« Als Jesahja seine Eltern erwähnte, huschte ein Schatten über sein Gesicht.
Lilli schwieg betroffen und wartete darauf, dass sie an die Reihe kamen. Nach einer kleinen Ewigkeit war es endlich so weit, und sie betraten den Tierpark. Gleich hinter dem Eingang befand sich ein Nashorngehege. Lilli verlangsamte ihre Schritte. Sie wusste zwar genau, dass sie unter keinen Umständen auffallen durfte, doch ihr unbändiges Interesse für Tiere brachte sie dazu, neugierig nach dem unbekannten Nashorn zu spähen.
»Zu gefährlich«, flüsterte Jesahja und schob sie weiter. »Lass uns so schnell wie möglich zu den Pandas gehen.« Er blieb vor einem Lageplan des Tierparks stehen und betrachtete ihn kurz. »Hier entlang«, sagte er schon einen Moment später und zog Lilli über einen breiten, gepflasterten Weg.
An Pelikanen, Nilpferden und Pinselohrschweinen ging es vorüber, aber da sich so viele Besucher vor den Gehegen tummelten, fiel Lilli keinem Tier weiter auf. Normalerweise bemerkten Tiere immer sofort, dass das Mädchen mit dem roten Lockenkopf anders war als andere Menschen, und starrten sie wie hypnotisiert an. Oft dachten sie auch, Lilli sei eine von ihnen und hielten sie für einen Seebären, ein Kamel oder einen Frosch. Doch diesmal hatte Lilli Glück. Kein Tier schien sie zu bemerken.
»Da entlang.« Jesahja hatte den Lageplan offenbar genau im Kopf. »Das ist eine Abkürzung.«
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