Liliane Susewind – Ein Panda ist kein Känguru (German Edition)
dem Sofa. Ächzend drehte sie sich von einer Seite auf die andere. Lilli und Jesahja sahen sich entsetzt an. »Raus hier«, keuchte Jesahja und hastete aus dem Raum. Lilli folgte ihm mit dem Pandababy auf dem Arm. Als sie auf dem Gang waren, begannen sie zu rennen. Sie rannten aus dem Haus und die Parkwege entlang, bis sie nicht mehr konnten. Lilli blieb stehen, um nach Atem zu ringen. Jesahja hielt ebenfalls an. »Glaubst du, die Pflegerin ist aufgewacht?«, japste Lilli.
»Keine Ahnung«, erwiderte er atemlos. »Hoffentlich nicht. Falls doch, wird sie merken, dass Schnuffi weg ist, und Alarm schlagen. Und dann wird’s eng.«
»Dann lass uns keine Zeit vergeuden.« Lilli ignorierte die Stiche in ihrer Seite und begann wieder zu laufen.
»Haaah!«, machte Schnuffi, dem das Schaukeln in Lillis Armen offensichtlich nicht besonders gefiel.
Kurz darauf erreichten sie das Pandagehege. Schnuffis Augen wurden kugelrund. Er schien das Gehege wiederzuerkennen. »Mama!«, quietschte er. Aber die Pandabärin war nirgendwo zu sehen. »Mama?« Suchend hob der kleine Bär die Nase und schnüffelte röchelnd.
»Ich glaube, sie ist im Innenkäfig«, sagte Jesahja, während Lilli schon auf das Pandahaus zusteuerte. Als sie vor der Tür standen, probierte Jesahja die Schlüssel aus, und einer passte tatsächlich. Sie betraten das kleine Gebäude, in dem es nur ein Innengehege gab: einen großen Käfig mit Gitterstäben, dem sie sich nun langsam näherten.
»Mama!«, rief Schnuffi auf Lillis Arm. »Uhhh!«
Anscheinend konnte er nur sehr wenige Worte.
Da regte sich etwas im Stroh. Die Pandabärin! Sie hatte offenbar geschlafen und richtete sich nun auf. Im nächsten Augenblick entdeckte sie ihr Kind auf Lillis Arm. »Du!«, rief sie und schüttelte ungläubig den großen, pelzigen Kopf. »Wie kann das sein? Wo kommst du her?« Sie stemmte ihre kräftigen Tatzen auf den Boden. »Du warst fort!«
»Mama!«, quiekte Schnuffi. »Mama! Du! Mama!« Aufgeregt reckte er sich seiner Mutter entgegen. Lilli trat ein paar Schritte vor. Sie stand nun direkt vor den Gitterstäben des Käfigs. Schnuffi strampelte mit aller Kraft, und es war nicht schwer zu erkennen, dass er zu seiner Mutter wollte.
»Hallo!«, sagte Lilli mit weicher Stimme zu der Bärin.
Diese erschrak. »Wieso verstehe ich dich?«
»Das ist eine lange Geschichte. Zu lang! Viel wichtiger ist jetzt, dass dein Baby hier ist und zu dir zurück möchte.«
Die Pandabärin starrte Lilli an. »Das sehe ich«, sagte sie, während Schnuffi lauthals »Da! Mama!« kiekste.
»Wieso ist er wieder da?«, fragte die Bärin und betrachtete ihr Kind lange. »Er war weg!«
»Ja, aber jetzt ist alles gut.« Lilli lächelte sie glücklich an. »Ich kann ihn zu dir reinbringen und –«
»Nein!«, knurrte die Bärin unvermittelt. »Nicht!« Sie richtete sich auf und grunzte drohend. »Lass das!«
Lilli zuckte zurück. Jesahja, der neben ihr stand, schien sich ebenso zu erschrecken. Auch Schnuffi war mit einem Mal verstummt. Nur sein Schnaufen war noch zu hören.
»Aber … warum denn nicht?«, stammelte Lilli.
»Nein!«, knurrte die Bärin abermals. »Er ist schwach.«
»Schwach?« Lilli stand fassungslos da. »Deswegen willst du ihn nicht? Aber … aber … er ist doch dein Kind!«
»Er ist schwach!«, blaffte die Bärin. »Er ist seltsam! Seine Luft ist krank. Ich kann kein schwaches Kind haben! Geh weg! Er soll weg!«
Lilli spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten. »Das ist gemein«, stieß sie hervor und drückte Schnuffi fest an sich. »Das ist …« Sie konnte nicht weitersprechen.
Jesahja war ebenfalls ganz blass. »Will sie ihn nicht?«, fragte er kaum hörbar. »Weil er schnauft?«
Lilli nickte langsam. Dann drehte sie sich um und verließ fluchtartig das Pandahaus. Jesahja kam ihr nach. Vor der Tür ergriff sie ein eisiger Wind. Mit zitternden Händen zog Lilli die Decke fester um Schnuffi, der sehr still geworden war. Ihre Schultern bebten.
»Li?«, röchelte Schnuffi. »Angst!«
Da konnte Lilli das Schluchzen, das in ihrer Brust steckte, nicht länger unterdrücken. Sie begann zu weinen.
Jesahja blickte sie unsicher an. Er kam näher und legte den Arm um sie. Lilli überlegte kurz, ob sie ihn abschütteln sollte, aber es fühlte sich gut an.
Plötzlich knackte es im Gebüsch. Lilli benötigte einen Augenblick, um in der zunehmenden Dunkelheit etwas zu erkennen, doch was sie dann sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Da hockte jemand zwischen den
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