Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
wie viel Saft das Ding noch hat?!«
Lillis Gedanken überschlugen sich. Wenn das Handy nicht mehr funktionierte, konnten sie weder die Polizei noch jemand anderen anrufen, der sie hier herausholte! »Das ist … schlecht«, stieß sie hervor. Sie waren irgendwo mitten im tiefsten Wald und hatten keinen blassen Schimmer, in welche Richtung sie gehen mussten. Es konnte eine Ewigkeit dauern, bis sie den Weg hinaus fanden! Wenn sie bis dahin nicht verhungert waren …
»Das darf nicht wahr sein!«, kiekste sie. »Wie kommen wir nur je wieder aus dem Wald heraus?«
Auf diese Frage antwortete ihr eine tiefe, volltönende Raubtierstimme: »Dabei könnte ich dir helfen.«
Lillis Herz begann wie verrückt zu schlagen. Der Wolf! Er saß ein Stück abseits und blickte sie ruhig mit seinen hellen, klugen Augen an.
»Huch! Der schon wieder!«, quäkte eine der Gänse. Beide breiteten hektisch die Flügel aus und flatterten davon.
Für einige der anwesenden Tiere war der Wolf ein gefährlicher Feind. Durch Lillis Gegenwart wurden die natürlichen Gegebenheiten der Tierwelt allerdings kurzzeitig ausgehebelt, und das schienen die meisten Tiere auch zu wissen.
Während Jesahja den Wolf fasziniert anstarrte, grüßte Bonsai: »Hallo, Wolf-Fuzzi!« und wedelte freundlich mit dem Schwanz. »Alles senkrecht?«
Lilli hätte schwören können, dass der Wolf lächelte.
»Herr von Wolf!«, tönte nun auch Frau von Schmidt. »Ihr Besuch ehrt mich. Sicher sind Sie hergekommen, um meine nähere Bekanntschaft zu machen.« Sie fuhr sich kokett mit der Pfote über das Fell. »Vielleicht haben Sie ja auch schon von mir gehört … ach, gewiss haben Sie das! Ich bin schließlich eine Legende!« Beiläufig stieß sie Lilli mit der Schulter an. »Übersetzung, bitte.«
»Später, Madame«, vertröstete Lilli sie. Sie wollte erst einmal selbst mit dem Wolf sprechen. Schnell erhob sie sich und ging zu ihm hinüber. »Hallo!«, sagte sie. »Ich bin Lilli.«
»Mein Name ist Askan«, erwiderte der Wolf.
Lilli setzte sich vor ihn auf den Waldboden. »Wie kommt es, dass du hier lebst?« Sie war furchtbar neugierig.
»Ich lebe eigentlich nicht hier. Ich bin schon sehr lange auf Wanderschaft, und ich durchwandere diesen Wald erst seit kurzer Zeit.« Askan legte ein Ohr zurück. »Ein Zuhause habe ich nicht.«
»Oh«, stieß Lilli bedauernd hervor, denn man hörte Askan an, dass er es leid war, auf Wanderschaft zu sein.
Bonsai, Fini und Frau von Schmidt kamen nun langsam näher. Auch Jesahja zeigte keine Scheu vor dem Wolf und setzte sich neben Lilli.
»Meine Heimat ist weit, weit entfernt«, sagte Askan und schaute wehmütig in die Ferne.
»Warum hast du deine Heimat denn verlassen?«
Über Askans fein gezeichnetes Gesicht huschte ein Schatten. »Ich lebte vor langer Zeit in einem starken Rudel von vielen Wölfen«, sagte er. »Doch durch einen Sturm wurde ich von den anderen getrennt. Ich habe lange Zeit nach ihnen gesucht, aber sie nie wiedergefunden.«
»Das ist ja voll traurig!«, kläffte Bonsai.
»Ja, das ist sehr traurig«, bestätigte Askan. »Damals begann meine Wanderschaft. Ich suchte nach einem neuen Zuhause, aber das war schwierig.«
»Warum?«, wollte Fini wissen.
»Sobald ich in die Nähe von Menschen kam, wurde ich vertrieben«, berichtete der Wolf. »Und es war schwer, nicht in die Nähe von Menschen zu kommen. Sie sind einfach überall.«
Lilli biss sich auf die Lippe. Dann fragte sie: »Das heißt, du bist auf der Suche nach einem neuen Zuhause herumgewandert, und die Menschen haben jedes Mal so viel Angst vor dir bekommen, dass sie dich weggejagt haben?«
Askan blickte ihr lange in die Augen. »Ja, es mag Angst sein, die die Menschen dazu bringt, sich so zu verhalten. Aber das macht keinen Unterschied. Sobald sie mich sehen, beginnen sie Hetzjagden auf mich. Und doch haben sie mich nie erwischt. Hätten sie das, wäre ich bestimmt getötet worden.«
Lilli schüttelte den Kopf. Konnte das sein? Töteten die Menschen einen wilden Wolf, wenn sie einen entdeckten?
»Madame von Susewind!«, ließ sich eine schrille Stimme vernehmen. »Übersetzen Sie bitte auf der Stelle, was Herr von Wolf Ihnen dermaßen wohlklingend darlegt.«
Lilli übersetzte für die Katze, Jesahja und alle anderen Tiere, die nicht hundeartig waren, was der Wolf erzählte.
»Menschen hatten schon immer Angst vor Wölfen«, murmelte Jesahja. »Vor allem davor, dass sie ihr Vieh reißen könnten.«
Askan fuhr nun mit tiefer Stimme fort: »Ich
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