Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
sprang über zwei weitere Zäune, lief geradewegs auf Lilli zu und bremste erst im letzten Moment ab. »Lilli!«, schnaubte er selig und vergrub seine Nüstern in Lillis rotem Lockenkopf.
Lilli lächelte und streichelte den Hals des Schimmels. »Merlin, ich bin so froh, dich zu sehen.«
»Ich bin auch froh! So frohglücklich wie noch nie!«, schnaufte Merlin in ihr Haar.
Lilli drückte ihn fest an sich. Merlin fühlte sich nach zu Hause an.
Dann trat das Pferd einen Schritt zurück. »Sollen wir einen Ausritt machen, Lilli? Den wunderprächtigsten Ausritt aller Zeiten?! Jetzt? Oder gleich? Besser jetzt gleich!«
Da sah Merlin den Wolf. »Ahhh!«, gellte er mit weit aufgerissenen Augen und stieg auf die Hinterläufe. »Ein Fress-Mo-o-onster!«
»Nein, schon gut, Merlin!«, beruhigte Lilli ihn mit erhobenen Händen. »Das ist Askan. Er ist mein Freund.«
»Yo, Askan ist voll in Ordnung«, kommentierte Bonsai. »Also immer schön cool bleiben, Zebra-Kumpel.«
Askan betrachtete das große Pferd indessen ruhig. »Gehört dieser Hufbeiner einem Menschen?«, fragte er. »Er lebt hinter einem Zaun, also ist er einer, um den die Menschen Angst haben, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Lilli. »Merlin gehört den Jansens.«
Wie aufs Stichwort tauchten auf der unteren Weide nun vier Menschen auf. Es waren Annabell und Slavika Jansen, die beiden Frauen, denen der Reiterhof gehörte, gefolgt von ihren Kindern Wolke und Tom. Wolke war Lillis Freundin und ging in ihre Klasse. »O mein Gott, Lilli!«, rief Annabell Jansen schon von weitem. In ihrer Stimme schwang große Sorge mit. »Da seid ihr ja!« Im Laufschritt eilten die Jansens nun über die Weide auf sie zu. »Wo wart ihr nur? Die Polizei sucht nach euch! Alle Welt sucht nach euch!«
Lilli wollte die Jansens vor dem Wolf warnen, doch als sie den Kopf drehte, um zuerst Askan auf die Begegnung mit der Familie vorzubereiten, war der Wolf verschwunden. Lilli suchte mit den Augen zwischen den Büschen nach ihm, aber er war fort.
»Danke, Askan«, wisperte sie und hätte viel dafür gegeben, ihm das persönlich sagen zu können.
Heimkehr
Das Auto der Jansens hielt mit quietschenden Reifen auf der Straße vor dem Haus der Susewinds. Vor dem Tor lauerte ein wilder Pulk von Reportern, Fotografen und Leuten mit großen Fernsehkameras. Als der Wagen der Jansens vorfuhr, entflammte ein blendendes Blitzlichtgewitter, und die Meute platschte wie eine große Welle gegen das Auto.
Lilli duckte sich und zog die Kapuze ihres Anoraks tiefer ins Gesicht. Sie hatte sich so sehr auf zu Hause gefreut, aber die Paparazzi konnten einem alles vermiesen!
Da stürzte ihre Oma aus dem Tor, ließ mit grimmiger Miene ihren Regenschirm aufschnappen und kämpfte sich zum Auto durch. »Weg da!«, schrie sie und piekte den einen oder anderen Journalisten mit dem Schirm ins Hinterteil. Sobald sie den Wagen erreicht hatte, riss sie die Tür auf. »Schnell! Kommt raus!«
»Ach du meine Güte!« Slavika Jansen schüttelte angesichts des wogenden Paparazzi-Meeres den Kopf. »Wir fahren lieber wieder.«
Oma Susewind nickte Lilli zu. Die schnappte sich Bonsai und kletterte aus dem Auto. Jesahja nahm Frau von Schmidt auf den Arm und folgte ihr. Gemeinsam drängten sie sich so eng wie möglich an Lillis Oma und kämpften sich Schritt für Schritt hinter dem Schirm durch die Menge, bis sie das Tor der Susewinds erreichten und sich mühsam hindurchquetschten.
Als sie es hinter sich geschlossen hatten, nahm Lillis Oma ihre Enkelin in den Arm und drückte sie so fest an sich, dass Lilli kaum noch Luft bekam. »Kind«, flüsterte Oma mit wankender Stimme. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«
Da kamen schon Lillis Vater, ihre Mutter und Herr und Frau Sturmwagner – Jesahjas Eltern – auf sie zu.
»Lilli!«, rief Lillis Mutter. »Du bist wieder da!« In ihren Augen glitzerten Tränen. Gleich hinter ihr war Lillis Vater, der völlig zerknautscht und mitgenommen aussah. Als ihre Eltern sie erreichten, schlossen sie Lilli mit einer heftigen Bewegung in die Arme. Lillis Mutter begann zu schluchzen. »Wir dachten, dir wäre etwas zugestoßen …«
Lilli schluckte. Ihre Mutter weinte so gut wie nie. Ihr Vater schien ebenfalls völlig aufgelöst zu sein.
Jesahjas Eltern umarmten ihren Sohn mit ebensolcher Heftigkeit. Ihnen war anzumerken, wie groß ihre Sorge gewesen sein musste. »Alle haben nach euch gesucht!«, brachte Frau Sturmwagner, eine hübsche, junge Frau, erstickt hervor und strich Jesahja
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