Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
die Augen. »Wenn sie euch was tut, bekommt sie es mit mir zu tun.«
Trixi schüttelte verächtlich den Kopf, sodass ihr blonder Pferdeschwanz hin und her wippte.
»Und mit mir«, fügte Jesahja drohend hinzu.
»Und mit mir«, bekräftigte Finn.
Trixis Miene verdunkelte sich. Nun war es deutlich genug, dass sie dieses Mal keine Chance gegen Lilli hatte. »Misten wir jetzt endlich die Giraffenställe aus oder was?«, fragte sie Finn unwirsch und tat, als sei ihr das Gespräch mit Lilli plötzlich furchtbar lästig.
»Ja, gehen wir.« Finn schob Trixi an Lilli vorbei. »Ich lasse sie nicht aus den Augen«, raunte er ihr im Vorübergehen zu, und Lilli lächelte dankbar.
Sobald Trixi außer Sichtweite war, atmete sie auf. »Wie geht es euch?«, fragte sie die Otter, setzte sich mit Jesahja vor ihr Gehege und hörte ihren kleinen Geschichten zu, bis die ersten Zoobesucher heranspaziert kamen und sie sich verabschieden mussten.
Das Haus des Millionärs
Am darauffolgenden Morgen wurde Lilli von kitzelnden Schnurrhaaren geweckt. »Madame, ich muss Sie bitten, Ihren Schlummer umgehend zu beenden«, maunzte Frau von Schmidt, die auf Lillis Kopfkissen thronte. Bonsai hockte schwanzwedelnd neben ihr. »Was geht ab?«, wuffte er. Das hätte Lilli auch gern gewusst. Schläfrig setzte sie sich auf.
Die Katze schien durch das offene Fenster hereingekommen zu sein. Sie trug eine wichtige Miene zur Schau. »Ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass mein Hausmännchen sich seit geraumer Zeit damit beschäftigt, Flugkörper durch Ihr Fenster zu werfen. Vermutlich mit dem Ziel, Ihre geschätzte Aufmerksamkeit zu erregen«, erklärte sie. »Ich konnte dies nicht länger mitansehen und entschloss mich daher, Sie über seine hilflosen Gebärden zu informieren.« Die Katze strich sich mit der Pfote die Schnurrhaare zurecht. »Insgesamt ist das Hausmännchen sehr eingeschränkt in seinen Fähigkeiten, wie ich anmerken muss. Der neue Dosenöffner erscheint mir hingegen kompetent und vielseitig einsetzbar.«
»Welcher neue Dosenöffner?«, fragte Lilli.
»Mein neuer Hausmann. Er öffnet meine Futterdosen immer pünktlich zum Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Sehr löblich.«
»Jesahjas Onkel Kornelius?«
»Nun, ich bin sehr zufrieden mit ihm. Wissen Sie, kürzlich erlegte ich eine ganz vorzügliche Maus und machte sie ihm zum Geschenk.« Die Katze klopfte verzückt mit dem Schwanz auf das Kissen. »Ich muss sagen, er reagierte äußerst gesittet auf meine kleine Aufmerksamkeit.«
»Hat er die Maus etwa gegessen?« Bei der Vorstellung kicherte Lilli.
»Höchstwahrscheinlich.«
»Was?«
»Er steckte die Maus in seine Jackentasche und ging dann fort. Ich nehme an, er hat sich ein friedliches Plätzchen gesucht, um den Leckerbissen in Ruhe genießen zu können.«
Das glaubte Lilli kaum. Aber seltsam war die Sache dennoch. Da traf Lilli ein Kieselstein am Bein. »Au!« Ein weiterer flog hinterdrein. Auf dem Boden lagen noch einige mehr, wie Lilli feststellte. Auf nackten Füßen lief sie zum Fenster. Es dämmerte gerade erst. Deswegen hatte Jesahja wohl nicht geklingelt – und deshalb war Lillis Handy noch nicht eingeschaltet. Er stand neben dem Apfelbaum und bedeutete ihr, zu ihm hinunterzukommen. Lilli zog sich an und schlich aus dem Haus. Acht Pfoten tapsten hinter ihr her.
Jesahja zog sie in die Büsche am Rande des Gartens. Hier war ihr geheimes Versteck für Besprechungen. »Ich hab was rausgekriegt«, begann er ohne Einleitung.
Sie hockten sich im Schneidersitz auf den Boden, und Frau von Schmidt ließ sich hoheitsvoll vor Lilli nieder. »Da ich gerade keine anderen Pläne habe, dürfen Sie mich mit einer Nackenmassage erfreuen«, miaute die Katze großzügig.
Lilli musste lachen. Da bildete sich neben ihr am Busch eine kleine Knospe, die sich zusehends in eine leuchtend rote Rhododendronblüte verwandelte. Es dauerte im Spätsommer jedoch viel länger als im Frühling, bis eine Knospe entstand und sich eine Blüte entfaltete. Um ihre Fähigkeit geheim zu halten, musste Lilli zu dieser Jahreszeit deshalb eher vorsichtig sein, wenn sie in die Nähe von Obstbäumen kam. Ihr Lachen hinterließ immer sogleich farbenfrohe Spuren an den Früchten.
Lilli kraulte Frau von Schmidt nun gehorsam den Nacken und hörte Jesahja gespannt zu.
»Ich habe nochmal über das nachgedacht, was Armstrong dir von diesem Haus erzählt hat«, sagte er. »In der ganzen Stadt existiert nur ein einziges Haus, das von einem Wassergraben
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