Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
umgeben ist.«
»Woher weißt du das?«
»Es gibt ein Programm für den Computer, mit dem kann man alle Gebäude einer Stadt von oben sehen.«
»Was ist das für ein Haus?«
»Eine große Villa am Stadtrand. Sie gehört einem Millionär mit Namen Magnus Obscura. Ich habe einen Artikel über ihn im Internet gefunden. Darin steht, dass er sehr zurückgezogen lebt.«
»Von einem Magnus Obscura habe ich noch nie gehört.« Lilli streichelte Frau von Schmidt nachdenklich. »Glaubst du, Armstrong ist wirklich aus diesem Haus entwischt?«
»Es wäre möglich. So, wie Armstrong es beschrieben hat, könnte es ein geheimes Versuchslabor sein.«
Lilli erstarrte. »Du meinst ein Labor für Tierversuche?«
»Bitte keine unnötigen Unterbrechungen!«, beschwerte sich die Katze, da auch Lillis Hände vor Schreck erstarrt waren. Lilli kraulte sie rasch weiter, und Frau von Schmidt begann zufrieden zu schnurren.
Jesahja machte eine abwiegelnde Handbewegung. »Es ist nur eine Vermutung. Wir sollten uns dieses Haus unbedingt mal näher ansehen. Vielleicht kriegen wir ja irgendwas raus.«
Lilli stimmte zu.
Schon wenig später zogen sie mit ihren Fahrrädern los, zur Villa des Millionärs Magnus Obscura.
Die Route, die Jesahja ausgedruckt hatte, führte sie zum Stadtrand. Als sie über endlos scheinende Feldwege radelten, dachte Lilli schon, sie fänden das Haus niemals. Doch dann fuhren sie um eine Wegbiegung, und da lag es vor ihnen – ein imposantes Gebäude mit weißer Fassade und einem sehr modernen, flachen Dach. Das Haus war durch eine hohe weiße Mauer abgeschottet. Gleich dahinter lag ein breiter Wassergraben, den man von dem erhöhten Feldweg aus gut sehen konnte. Seltsamerweise schien es keine Brücke über den Graben zu geben.
Sie stiegen ab, ließen die Räder hinter einem Baum zurück und schlichen sich im Schutze einer Hecke an die Villa heran. Es war totenstill. Nur die Grillen zirpten in den angrenzenden Feldern.
Eine große Pforte – zwei hohe weiße Flügeltüren, die aussahen, als ließen sie sich nur elektrisch öffnen – schien der einzige Zugang zum Haus zu sein. Lilli ging neugierig auf das Tor zu, da zog Jesahja sie in den Schatten eines Baumes. »Vorsicht, hier könnten Kameras sein!«, wisperte er. »Wenn wir nicht aufpassen, sieht uns jemand.«
Lillis Puls beschleunigte sich. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass dies keine Spielerei war. Was, wenn sich hier tatsächlich ein verbotenes Tierversuchslabor befand? Was, wenn jemand sie beim Herumschnüffeln erwischte?
»Das Haus hat bestimmt eine Alarmanlage«, flüsterte Jesahja weiter. »Ich könnte wetten –« Mit einem Mal riss er erschrocken die Augen auf.
»Was ist los? Hat uns irgendwer entdeckt?« Suchend sah Lilli sich um.
Jesahja schüttelte den Kopf. Dann sagte er mit heiserer Stimme: »Lass uns zurückfahren.«
»Aber wir haben uns doch noch gar nicht richtig umgesehen!«
»Du kannst ja noch bleiben. Ich fahre heim.«
Lilli blickte ihn verständnislos an. Was war denn nur in ihn gefahren? Hier gab es ein Rätsel zu lösen! Es sah Jesahja ganz und gar nicht ähnlich, dass er nun einfach wieder nach Hause fahren wollte. Aber er ließ sich nicht beirren. Mit verschlossenem Gesichtsausdruck stapfte er zu den Fahrrädern und stieg auf. Lilli folgte ihm verwirrt und radelte hinter ihm her durch die Felder zurück in die Stadt.
Am Nachmittag besuchte Lilli wieder den Zoo. Jesahja war nicht dabei. Er hatte gesagt, er müsse über etwas nachdenken und wolle sie deshalb nicht begleiten. Lilli wunderte das sehr, doch sie hoffte, dass er ihr früher oder später erzählen würde, was mit ihm los war. Sie vertrauten einander schließlich immer alles an!
Im Zoo ging Lilli zuerst ins Affenhaus, denn sie konnte es kaum erwarten herauszufinden, ob Armstrong sich inzwischen ein wenig eingelebt hatte. Sie wurde in dröhnender Lautstärke von ein paar Pavianen und Orang-Utans willkommen geheißen, aber Lilli grüßte die Tiere nur kurz. Sie wollte zu Armstrong. Als sie kurz darauf vor seinem Gehege stand, war sie überrascht. Der Schimpanse war nirgendwo zu sehen! Da entdeckte Lilli einen kleinen, weißen Berg aus Stoff in einer Ecke. Sie schmunzelte.
Geduldig wartete sie, bis keine Besucher mehr vor dem Gehege standen, öffnete mit Hilfe ihres Schlüssels die Tür, ging hinein und kniete sich vor den Stoffhaufen. Vorsichtig zog sie die Spitze des Lakens beiseite. Darunter kam ein haariger kleiner Kopf zum Vorschein.
»Hallo«, flüsterte
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