Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Mitleid mit ihr. Aber es war dennoch schwierig, Trina und Trixi zu verzeihen. Das, was sie getan hatten, war einfach zu boshaft.
»Fahren wir zurück und suchen noch einmal alles nach Armstrong ab«, sagte die Direktorin und startete den Wagen.
Stundenlang suchten sie an diesem Nachmittag nach dem kleinen Schimpansen, überall, in jeder Ecke, hinter jedem Strauch, doch er blieb verschwunden. Lilli fragte alle Tiere, ob sie etwas beobachtet hatten, aber weder die frei lebenden Vögel noch die Gehegetiere konnten ihr helfen.
Armstrong war fort.
Hilfeschrei
An diesem Abend saß Lilli zwischen den Büschen im Garten und grübelte. Immer wieder ging sie im Kopf durch, was im Zoo geschehen und wie Armstrong verschwunden war. Doch sie hatte das Gefühl, dass sie etwas Wichtiges übersah. Wenn Jesahja ihr nur helfen würde! Vor über einer Stunde hatte sie ihn angerufen und ihn gebeten, herzukommen, aber bisher hatte er sich nicht blicken lassen.
Da raschelte es zwischen den Zweigen. Es war Jesahja! Lilli freute sich und wollte ihn gerade begrüßen, da hielt sie inne. Jesahja sah schrecklich aus! Er war weiß wie eine Wand, und seine Augen waren gerötet. Hatte er geweint?
»Hallo«, nuschelte er und ließ sich schwer neben Lilli auf den Boden fallen.
Lilli starrte ihn einen Augenblick lang an, dann riss sie sich zusammen. »Armstrong ist verschwunden«, sagte sie.
Jesahjas Augen weiteten sich. »Was?«
Lilli erzählte ihm nun die ganze Geschichte, aber sie war sich nicht sicher, ob Jesahja auch zuhörte. Sein Blick war abwesend und ins Leere gerichtet, seine Miene völlig starr. »Ich frage mich, ob dieser Millionär, Magnus Obscura, etwas damit zu tun hat«, schloss sie.
Jesahja zuckte zusammen. »Wieso? Was meinst du?«
»Vielleicht ist ja wirklich ein geheimes Versuchslabor in seinem Haus versteckt«, sagte Lilli überlegend. »Was, wenn diese Leute irgendwie herausbekommen haben, dass Armstrong im Zoo ist, und ihn sich wieder zurückgeholt haben?«
»Das klingt sehr zusammengereimt«, bemerkte Jesahja in merkwürdigem Tonfall.
»Was denkst du denn, was dahinter steckt?« Lilli blickte ihn hoffnungsvoll an. Er konnte viel besser Schlüsse ziehen und Dinge kombinieren als sie.
Jesahja hob die Schultern. »Alles Mögliche könnte dahinter stecken. Wir sollten nicht so viel herumspekulieren.« Er wippte mit dem Oberkörper vor und zurück, als stehe er unter großer Anspannung.
Lilli verfiel in brütendes Schweigen. Nach einer Weile sagte sie: »Wir könnten ja zumindest nochmal zu der Villa fahren und gucken, ob –«
»Was soll das bringen?«, unterbrach Jesahja sie. »Wir kriegen da eh nichts raus. Und wenn uns jemand erwischt, während wir um die Villa herumschleichen, gibt’s bestimmt Ärger. Vergiss das Ganze besser.« Mit diesen Worten erhob er sich. »Im Ernst: Lassen wir es gut sein, Lilli.« Er drehte sich um und verließ das Gebüsch.
Lilli blieb sprachlos sitzen. Sie erkannte Jesahja kaum wieder. Der Junge, der soeben fortgegangen war, schien ein völlig Fremder zu sein.
Eine ganze weitere Stunde lang saß Lilli noch zwischen den Büschen und dachte nach. Als es bereits anfing, dunkel zu werden, traf sie eine Entscheidung. Sie würde allein zum Haus des Millionärs fahren. Sie musste versuchen herauszufinden, ob Armstrong dort war! Wenn Jesahja ihr nicht helfen wollte, musste sie eben auf eigene Faust etwas unternehmen.
Außerhalb des Gebüschs sah Lilli kleine weiße Pfoten über die Wiese trappeln. »Bonsai, komm hierher!«, rief sie. Die Pfoten blieben stocksteif stehen und wandten sich in ihre Richtung. Gleich darauf stob der weiße Winzling durch die Blätter. »Hi Lilli! Alles fit?«, kläffte er, wedelte mit dem Schwanz und sprang an ihr hoch.
Lilli strich ihm über den zotteligen Kopf. »Ich brauche jetzt einen Freund«, flüsterte sie. »Kommst du mit mir mit?«
»Klar!«, hechelte Bonsai. »Wohin denn?«
»Zum Stadtrand. Wir müssen Armstrong helfen.«
Zehn Minuten später radelte Lilli los. Bonsai saß mit weit heraushängender Zunge in Lillis Rucksack. Im Fahrtwind klatschte sie ihm zwar hin und wieder ins Gesicht, aber das minderte Bonsais Begeisterung für die Unternehmung keineswegs.
Als sie die Villa erreichten, war es beinahe schon dunkel. Lilli versteckte ihr Rad hinter einem Baum und ließ Bonsai aus dem Rucksack springen.
»Wo sind wir?«, wuffte er. »Wonach riecht es hier?«
»Wieso? Wonach denn?«, flüsterte Lilli.
»Es riecht wie im Zoo«, murmelte Bonsai
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