Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
weh, wenn er die Stangen herunterreißt?«
Jesahja wandte sich erschüttert ab. »Ich habe keine Ahnung«, brachte er mühsam hervor.
Lillis Hand krallte sich in Jesahjas Bein. »Wir müssen ihm helfen!« Sie drückte so fest zu, dass Jesahja das Gesicht verzog. »Versprich mir, dass wir Storm irgendwie helfen werden!«
Er nickte. »Ich verspreche es«, flüsterte er mit aschfahlem Gesicht.
Das Richtige tun
Als sie wenig später nach Hause kamen, ging gerade die Sonne auf. Doch Lilli schenkte dem rötlich-blauen Himmel keinerlei Aufmerksamkeit. Sie war zutiefst schockiert von dem, was sie hatte miterleben müssen – ebenso wie Jesahja, der während der ganzen Rückfahrt kein Wort gesagt hatte.
Außerdem war Lilli hundemüde. Sie marschierte ins Bad, wusch sich die Farbe aus dem Gesicht und krabbelte dann ins Bett. Zum Glück war Samstag, und sie mussten nicht in die Schule. Lilli fiel auf der Stelle in einen unruhigen Schlaf …
»Lilli!«
Sie war schlagartig hellwach. »Ja? Was?« Hastig richtete sie sich auf und rieb sich die Augen.
Jesahja kniete neben ihrem Bett. »Ich hab mir den Laptop von deiner Oma geliehen und im Internet recherchiert.«
Das hieß, er hatte etwas herausbekommen! »Und?«
»Ich glaube, ich weiß, warum Egobert Storms Beine mit dieser Salbe eingerieben hat.« Jesahja sprach so ernst, dass Lilli mulmig wurde. »Es gibt spezielle Salben, die die Haut von Pferden empfindlicher machen.« Er schaute sie an, als hätte er ihr gerade die Lösung des Rätsels verraten.
Lilli zog die Nase kraus, denn sie wusste nicht, was Jesahja damit sagen wollte. »Empfindlicher?«
»Ja.« Er setzte sich im Schneidersitz auf den Teppich vor Lillis Bett, neben den dösenden Bonsai. »Ihre Haut wird durch die Salbe so empfindlich, dass sie furchtbare Schmerzen haben, wenn sie irgendwo anstoßen …«
»Aber es ergibt doch keinen Sinn, ein Pferd mit so einer Salbe einzureiben, wenn man mit ihm über Hindernisse springen will!«, wandte Lilli verwirrt ein. »Beim Springen passiert es doch viel schneller als sonst, dass es sich stößt …«
Jesahja verzog den Mund. »Ja. Jedes Mal, wenn das Pferd gegen die Stangen stößt oder sie herunterreißt, tut ihm das schrecklich weh.« Seine Stimme wankte ein wenig.
Lilli hatte immer noch nicht begriffen, warum jemand einem Pferd absichtlich etwas so Abscheuliches antun sollte.
Jesahja blickte sie traurig an und erklärte: »Das wird gemacht, um das Pferd zu Höchstleistungen anzutreiben. Sobald es gemerkt hat, wie weh es ihm tut, die Stangen zu berühren, strengt es sich umso mehr an, sie nicht herunterzureißen. Es springt dann so hoch es nur kann.«
Langsam dämmerte Lilli, was Jesahja zu sagen versuchte. Vor Entsetzen fiel ihr die Kinnlade herunter. »Das ist Egoberts geheime Trainingsmethode?«, schrillte sie, und Bonsai zuckte erschrocken zusammen. »Alarm?«, bellte er, aber Lilli ignorierte ihn. Sie konnte nicht fassen, was sie da hörte. »Egobert reibt Storms Beine mit dieser Salbe ein, damit Storm aus Angst vor Schmerzen höher springt? Das ist …« Aber ihr fiel kein Ausdruck ein, der das Grauen beschreiben konnte, das sie bei dieser Vorstellung empfand.
Jesahja spuckte ein Wort hervor: »Folter.« Er schnaubte verächtlich. »Egobert tut Storm weh, um ihn zum Champion zu machen. Und dabei ist ihm offenbar jedes Mittel recht. Er reibt Storm ja nicht nur mit diesem Zeug ein, sondern schlägt ihn auch mit der Gerte, reißt ihn am Halfter und rammt ihm die Sporen in den Bauch!«
Lilli starrte erschüttert ins Leere. »Und er trainiert so früh oder so spät, damit die Jansens nicht mitbekommen, was er Storm antut?«
»Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass das der Grund ist – und dass die Jansens keine Ahnung haben, was er da treibt.«
»Dann müssen wir es ihnen sagen!«
Forschend sah Jesahja sie an. »Denke ich auch, aber …«
Da fiel es Lilli selbst wieder ein. Egobert würde sich an ihnen rächen, wenn sie ihn verrieten!
Lillis Finger gruben sich in die Bettdecke, und in ihrem Kopf brannte es, als ob sie Fieber hätte. Sie dachte an Storms Schreie, als Egobert ihn geschlagen hatte, und daran, wie der Hengst sich schützend zwischen sie und Egobert gestellt hatte …
»Wir sprechen mit Annabell und Slavika!«, platzte Lilli heraus. »Du hast mir versprochen, dass wir Storm helfen!«
Jesahja wiegte bedächtig den Kopf hin und her. »Das stimmt. Aber wir müssen vieles bedenken …«
»Egal! Wir dürfen Storm nicht im Stich
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