Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
er ihr gedroht hatte und wie Storm zu ihrem Beschützer geworden war.
Jesahja hörte ihr aufmerksam zu und schüttelte immer wieder den Kopf. »Was hat er zu verbergen?«, murmelte er.
Diese Frage hatte Lilli sich nun schon drei Tage lang gestellt. Wichtiger als die Antwort erschien ihr in diesem Moment allerdings, dass ihre Angst plötzlich fort war und sie wieder richtig atmen konnte.
Jesahja kratzte sich am Hinterkopf. »Es muss irgendwas mit seinem Training zu tun haben. Warum trainiert Egobert Storm zu so merkwürdigen Uhrzeiten? Bestimmt will er nicht, dass die Jansens mitkriegen, was er da genau macht.«
Lilli sah Jesahja scharf an. Sie ahnte, dass er dieser Sache auf den Grund gehen wollte. Er konnte keinem Rätsel widerstehen. Bei diesem Gedanken kam ihre Angst unvermittelt zurück. »Ich darf mich da nie wieder blicken lassen!«, stieß sie panisch hervor. »Egobert hat gesagt –«
»Willst du Storm denn nicht helfen?«, unterbrach Jesahja sie. »Du hast doch gehört, wie schlecht es ihm geht! Und was ist mit Merlin? Du würdest ihn nie wiedersehen …«
Lilli ließ den Kopf sinken. »Natürlich will ich Merlin wiedersehen … und Storm helfen!«
»Dann lass uns Egobert beim Training beobachten. Vielleicht finden wir heraus, was er zu verheimlichen hat.«
Lilli presste die Augenlider zusammen. »Er darf uns auf keinen Fall sehen …«
»Ich sorge dafür, dass wir nicht entdeckt werden«, versprach Jesahja, und Lilli wusste, dass sie sich auf sein Wort verlassen konnte.
»Welch überaus apartes Beinkleid!«, flötete Frau von Schmidt, als Jesahja und Lilli am folgenden Morgen noch vor Sonnenaufgang aus Lillis Zimmer huschten. Lilli blickte widerstrebend an sich hinunter. An ihrer dunklen Hose und ihrem dunklen Pullover hatte Jesahja unzählige grüne Blätter angebracht, genau wie an seinen eigenen Sachen. Er trug zudem eine Baseballkappe, an die er ebenfalls haufenweise Blätter angeklebt hatte. Zur Krönung waren ihre Gesichter mit dunkler Farbe bemalt.
»Derart kultiviert sind Sie mir noch nie erschienen, Madame von Susewind«, schwärmte die Katze. »Ich könnte wetten, Sie haben etwas ungeheuer Stilvolles vor.«
»Was soll das Raschelzeugs?« Bonsai tippelte die Treppe herauf und schnüffelte an Lilli. Sein kleines Gesicht hellte sich auf. »Oh! Waldsachen! Darf ich die markieren?«
Lilli lachte leise in sich hinein, und einige der Blätter wuchsen um ein paar Zentimeter. »Nein, darfst du nicht!«, flüsterte sie. »Wir hoffen, dass wir durch die Blätter in der Dämmerung nicht auffallen.« Sie schaute Jesahja skeptisch an.
»Wird schon klappen«, flüsterte er und schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Lilli folgte ihm, und die Tiere wiederum folgten ihr.
»Dies verspricht wieder einmal eine äußerst interessante Unternehmung zu werden …«, murmelte Frau von Schmidt vor sich hin. »Anhand der Garderobe ist zu vermuten, dass die Ereignisse geradezu himmlisch geschmackvoll –«
Lilli blieb mitten auf der Treppe stehen. Bonsai rempelte prompt gegen sie. »Ihr beide bleibt hier!«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, doch in strengem Tonfall.
Die Katze stellte ihre Nackenhaare auf. »Wie bitte?!«
Bonsai wedelte vorsichtig mit dem Schwanz. »Du kannst mir doch auch Waldsachen anziehen …«, wuffte er leise.
Aber Lilli blieb hart. »Nein. Die ganze Sache ist viel zu gefährlich. Wir dürfen kein Risiko eingehen!«
Und das war ihr letztes Wort.
Zwanzig Minuten später versteckten Lilli und Jesahja ihre Räder in einem Busch vor dem Haus der Jansens und stahlen sich um das Hauptgebäude herum zu den Ställen. Sie wollten zum Trainingsplatz, der neben den Koppeln am Waldrand lag. Lilli hatte ihren Aufzug eigentlich ziemlich albern gefunden, aber nun stellte sie fest, dass die Blätter und die dunkle Farbe in der Dämmerung eine perfekte Tarnung waren. Sie konnte Jesahja kaum sehen, obwohl er direkt neben ihr war! Und doch … was würde geschehen, wenn Egobert sie erwischte? Der Gedanke schnürte Lilli die Kehle zu.
Jesahja zog sie weiter und schlich mit ihr über einen Pfad, bis sie den Trainingsplatz schließlich vor sich sahen. Durch ein paar große Lampen war er hell erleuchtet, aber Egobert und Storm schienen noch nicht hier zu sein.
»Wir müssen zu der Hecke da drüben«, flüsterte Jesahja. »Von da aus können wir alles gut überblicken.«
Lilli nahm all ihren Mut zusammen und folgte Jesahja tief geduckt zu der Hecke. Dabei sah sie sich immer wieder
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