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Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Stewner
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den beiden etwas anderes erzählt!
    »Dann ist es besiegelt.« Samiras Stimme zitterte.
    Es gab nichts mehr zu sagen. Mit hängenden Köpfen zogen sich Shankar und Samira zurück. Die Tigerin legte sich unter einen Baum und starrte vor sich hin, und Shankar begann, unruhig an seinem Gitter auf und ab zu laufen.
    Lilli, Finn und die Direktorin gingen schweigend zum Haupthaus zurück. Alle waren tief in Gedanken versunken.
    Da flitzte plötzlich ein Eichhörnchen auf den Weg. »Ist jetzt heute Abend?«
    »Oh, euch hätte ich beinahe vergessen!«, entfuhr es Lilli, als ihr siedend heiß einfiel, was sie den Vögeln und dem Eichhörnchen am Nachmittag versprochen hatte. »Ja, jetzt ist heute Abend.«
    »Aber es ist doch noch gar nicht richtig dunkel.«
    Lilli nickte. Im Juni blieb es lange hell, das hatte sie vergessen. »Es ist trotzdem Abend.«
    Finn und Frau Essig-Steinmeier sahen Lilli fragend an.
    »Ich muss noch kurz ein Versprechen einlösen«, erklärte Lilli. Sie breitete die Arme aus und rief: »Ihr könnt jetzt kommen!«
    Im nächsten Augenblick flogen zahllose Vögel aus den Bäumen zu Lilli herab, schwirrten um sie herum und landeten schließlich auf ihren Schultern und ihren ausgebreiteten Armen. Ein Spatz setzte sich sogar auf Lillis Kopf. Manche der Vögel fanden keinen Platz und hüpften auf dem Gehweg vor Lilli auf und ab. Zwei weitere Eichhörnchen sprangen ebenfalls aus den Büschen und Bäumen herbei. Eines von ihnen kletterte an Lilli hoch und erkämpfte sich einen Platz auf ihrer Schulter. Währenddessen lugte ein kleiner Hase ebenfalls unter der Hecke am Wegesrand hervor und hoppelte scheu näher.

    Die Vögel zirpten und zwitscherten aufgeregt durcheinander, sodass Lilli kaum ein Wort verstand.
    »Ich bin Lilli«, stellte sie sich vor, und alle Tiere waren auf einen Schlag stumm und blickten sie erwartungsvoll an. In der plötzlichen Stille flatterte der Schmetterling, der Lilli schon am Nachmittag entdeckt hatte, wieder heran und landete aus Platzmangel mitten auf ihrer Nase. Lilli kicherte und auf dem Boden wuchs zwischen dem Schotter in Sekundenschnelle ein langer grüner Grashalm.
    »Hm, lecker!«, rief der Hase und verspeiste den Halm auf der Stelle.
    Lilli schaute zu Finn und Frau Essig-Steinmeier hinüber. Die beiden schienen das wunderliche Wachsen des Grashalms nicht bemerkt zu haben. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, über den Anblick zu staunen, der sich ihnen bot. Auf Lilli saß ein Dutzend Vögel, ein Eichhörnchen und ein Schmetterling.
    »Ich arbeite jetzt hier im Zoo«, erklärte Lilli den Tieren. »Ein paar Mal in der Woche komme ich von nun an immer hierher. Aber ihr könnt nicht ständig auf mich draufhüpfen. Das würde mich stören. Versprecht ihr mir, mich nicht zu verfolgen?«
    Lilli hatte dieses Versprechen zuvor schon den Vögeln und anderen frei lebenden Tieren in ihrem Garten, im Park, auf dem Schulweg und auf dem Pausenhof abgenommen. Die meisten Tiere in ihrer Gegend kannten sie mittlerweile gut und kamen nur, wenn Lilli sie rief.
    Auch die Vögel im Zoo, die Eichhörnchen, der Schmetterling und der Hase versprachen Lilli nun, ihr nicht ständig zu folgen. Nach einer Weile, als Lilli die Arme schwer wurden, bat sie die Vögel, davonzufliegen, und einer nach dem anderen breitete die Flügel aus und schwang sich in die Lüfte.
    Zuletzt waren alle Tiere wieder verschwunden, und Lilli sagte zu Finn und Frau Essig-Steinmeier, denen immer noch der Mund offen stand: »So, jetzt können wir Feierabend machen.«

Der Junge mit den Tigerschuhen
    »Hier entlang, die Großkatzen sind da hinten«, sagte Lilli und zog Jesahja am Arm. An diesem Tag war sie mit ihrem besten Freund in den Zoo gekommen, um ihm Samira und Shankar vorzustellen. Natürlich hatte sie Jesahja alles erzählt, was bei ihren Zoobesuchen vorgefallen war, und er war nun neugierig und wollte die Raubkatzen unbedingt kennenlernen.
    »Was hat der denn da?«, fragte Jesahja plötzlich und blieb stehen.
    Ein paar Meter vor ihnen stand ein mürrisch dreinblickender, asiatischer Mann mit grauem Haar, der eine Gießkanne in der Hand hielt und einen Strauch wässerte. Doch als Lilli Jesahjas Blick folgte, erkannte sie, dass Jesahja nicht von dem Mann sprach, sondern von einem etwa neunjährigen Jungen, der daneben auf einer Bank saß. Der Junge hatte kurze, schwarze Haare, asiatische Augen und braune Haut. Das Auffälligste an ihm waren jedoch seine Schuhe. Er trug rote Stoffschuhe, auf die vorn bunte

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