Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)
Tigergesichter genäht waren. Gelbe Bommel stellten die Augenbrauen der Tiger dar und baumelten an den Seiten der Schuhe hinunter. Lilli hatte so etwas noch nie gesehen.
Sie und Jesahja waren nicht die Einzigen, denen die Schuhe ins Auge gefallen waren. Neben ihnen zeigten zwei Jugendliche mit den Fingern auf den Jungen und lachten unverhohlen.
Der Junge bemerkte, dass die Jugendlichen über ihn lachten. Er wurde rot und setzte sich hastig in den Schneidersitz. Dabei verschwanden die Schuhe unter seinen Beinen. Die Jugendlichen lachten noch lauter, gingen dann aber weiter, da es nichts mehr zu sehen gab.
»Warum hat er die Dinger denn an, wenn sie ihm peinlich sind?«, fragte Jesahja verwundert.
»Keine Ahnung.« Lilli tat der Junge leid. Sie wusste, wie unangenehm es war, angestarrt und ausgelacht zu werden. Aber Jesahja hatte recht – der Junge musste die Schuhe ja nur ausziehen, dann würde ihn niemand mehr anstarren.
»Soweit ich weiß, trägt er die Schuhe nur im Zoo«, sagte Finn, der plötzlich neben ihnen auftauchte. »Hallo Lilli.«
Lilli begrüßte Finn erfreut und stellte ihm Jesahja vor.
»Er trägt diese Stoffpantoffeln immer, wenn er im Zoo ist?«, hakte Jesahja interessiert nach.
»Ja, ich hab Bao noch nie ohne seine Tigerschuhe gesehen.«
»Du kennst den Jungen?«, fragte Lilli.
»Er ist der Sohn unseres Gärtners.« Finn wies auf den Mann mit der Gießkanne. »Herr Pong ist Chinese. Er spricht nicht viel und ist ein bisschen griesgrämig. Sein Sohn Bao kommt immer nach Schulschluss her. Herr und Frau Pong sind geschieden, und zu Hause kann niemand auf Bao aufpassen, deswegen ist er jeden Tag hier. Bao sitzt nachmittags stundenlang herum und sieht seinem Vater bei der Arbeit zu. Wenn er in den Zoo kommt, trägt er jedes Mal diese Tigerschuhe, obwohl es nicht den Anschein hat, dass er das gern tut. Wenn ihr mich fragt, sind ihm die bunten Puschen tierisch peinlich.«
»Irgendeinen wichtigen Grund muss es aber doch dafür geben, dass er sie anzieht«, murmelte Jesahja und kratzte sich am Hinterkopf. Lilli sah ihm an, dass diese Geschichte seine Entdeckerneugier weckte.
»Wohin wollt ihr?«, wechselte Finn das Thema.
»Wir sind auf dem Weg zu Shankar und Samira.«
»Die beiden sind ziemlich unglücklich, seit du ihnen gesagt hast, dass sie sich bald für immer trennen müssen.« Finn seufzte. »Sie freuen sich aber bestimmt trotzdem, dich zu sehen.«
Lilli und Jesahja verabschiedeten sich von Finn und gingen zu den Raubtiergehegen. Der Leopard, der links neben Samira wohnte, saß wenig begeistert neben seinem neuen Ball.
»Hallo Feodor! Wie gefällt dir dein neues Spielzeug?«, rief Lilli ihm zu.
Der Leopard rümpfte die Nase. »Es ist unter meiner Würde, mich mit derart geistlosem Gerät zu beschäftigen.«
Lilli hob überrascht die Augenbrauen. Der Leopard klang beinahe wie Frau von Schmidt.
Jesahja zog sie weiter. Der Löwe und die Tigerin waren noch schlechter gelaunt als der vornehme Leopard. Shankar stand diesmal nicht auf seinem Felsen. Er lag in der hintersten Ecke seines Geheges und blickte unbeteiligt auf die wenigen Besucher vor der Absperrung. Niemand fotografierte ihn.
Wenn Shankar keine Show abzieht, ist er für die Leute wohl nicht mehr besonders interessant, dachte Lilli.
Samira lag ebenfalls in ihrem Käfig. Sie schien zu schlafen.
Als keine Zoobesucher mehr in der Nähe waren, rief Lilli den Löwen und die Tigerin. Samiras rechtes Augenlid hob sich langsam. Als sie Lilli erkannte, öffnete sie auch das zweite Auge und stand mühsam auf. Sie sah aus, als müsse sie ein schweres Gewicht tragen. Shankar erwachte ebenfalls aus seiner Teilnahmslosigkeit, und die beiden kamen an das Gitter heran.
»Gibt es etwas Neues?« Shankars Ohren waren hoch aufgerichtet, als hielte er den Atem an.
Lilli schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, leider nicht.«
»Oh.« Die beiden Raubkatzen ließen die Köpfe hängen.
»Dann lege ich mich mal wieder hin.« Shankar schlurfte zu seiner Ecke zurück und ließ sich schwerfällig nieder.
Samira zog sich hinter einen Strauch zurück.
»Die beiden sind wirklich ziemlich fertig, was?«, bemerkte Jesahja, ohne dass Lilli ihm etwas von der Unterhaltung übersetzen musste.
»Wenn ich ihnen nur irgendwie helfen könnte …« Lilli dachte angestrengt nach.
»Es gäbe da eine Möglichkeit«, sagte Jesahja. »Aber die ist ziemlich waghalsig.«
Lilli blickte ihn elektrisiert an. »Wenn du irgendeine Idee hast, dann raus damit!«
»Wer
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