Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)
kaute auf seiner Unterlippe herum. »Das heißt, dass Herr Pong den Zoo für einen sehr gefährlichen Ort hält. Er will Bao durch diese Schuhe vor irgendetwas im Zoo schützen.«
»Aber was soll denn da gefährlich sein? Alle Tiere sind doch in Käfigen.«
Frau von Schmidt hörte Lillis Einwand. »Graf Shankar hielt sich zwischenzeitlich außerhalb seines Käfigs auf«, bemerkte sie spitz. Sie war noch immer schlecht auf den Löwen zu sprechen.
»Lilli, ich habe eine Idee!« Jesahja schlug sich mit der Hand aufs Knie. »Bao hat doch gesagt, du sollst mal mit seinem Kater sprechen. Vielleicht weiß der Kater, wovor Herr Pong seinen Sohn schützen will!«
»Ja, vielleicht. Aber ich kann den Kater doch nicht ausfragen, während Bao danebensteht.«
»Ich lenke Bao ab.«
»Jesahja, das ist –«
»Willst du nun wissen, was dahintersteckt, oder nicht?«
Lilli war durchaus neugierig, was es mit den Tigerschuhen auf sich hatte, wenngleich nicht ganz so neugierig wie Jesahja. Für ihn war jedes Rätsel unwiderstehlich, und es ließ ihm keine Ruhe, bis er es gelöst hatte.
»Okay, fahren wir zum Zoo«, sagte Lilli, und Jesahja sprang sofort auf.
»Zum Zoo?«, kläffte Bonsai. »Prima! Aber ich will nicht wieder zu dem Angeber mit den Mordspranken.«
Frau von Schmidt hatte ebenfalls gehört, wo es hingehen sollte. »Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob ich mich Ihnen bei einer solchen Unternehmung noch einmal anschließen möchte.«
Lilli winkte ab. »Schon gut, wir wollten eigentlich allein –«
»Nun, ich will nicht nachtragend sein«, räumte die Katze großzügig ein. »Allerdings möchte ich höflich darauf hinweisen, dass einige Bewohner des Zoos keinerlei Stil besitzen, und dies erregt mein ausgesprochenes Missfallen.«
»Wir wollen gar nicht in den Zoo hineingehen«, wandte Lilli ein. »Wir fahren zu einem Haus, das gleich neben dem Zoo liegt. Da wohnt ein Kater, mit dem wir sprechen müssen.«
»Gebongt!« Bonsai drehte sich begeistert einmal um die eigene Achse.
»Wie interessant«, fiel Frau von Schmidt ein. »In diesem Falle begleite ich Sie natürlich gern.«
Jesahja sah Lilli fragend an und zählte eins und eins zusammen. »Die beiden wollen mit und du kommst aus der Nummer nicht mehr raus?«
Lilli nickte betreten.
Jesahja seufzte. »Na, dann packen wir sie halt ein.«
Fünf Minuten später waren Bonsai und Frau von Schmidt in den Rucksäcken der Kinder verstaut, und Lilli und Jesahja fuhren auf ihren Rädern zum Zoo. Das grüne Haus, in dem Bao und sein Vater wohnten, lag gleich neben dem Zooeingang. Lilli und Jesahja ließen die Tiere aus den Rucksäcken springen, gingen um das Haus herum und versammelten sich vor der Haustür. Es war unschwer zu erkennen, dass hier ein Gärtner lebte. Neben der Tür standen ein paar erdverschmutzte Eimer und gleich daneben lagen allerlei Gerätschaften wie ein Spaten und eine kleine Handschaufel.
Lilli betätigte mit feuchten Händen die Klingel. Sie warteten eine Weile, aber niemand öffnete.
»Sie sind nicht zu Hause.« Unentschlossen trat Lilli von einem Fuß auf den anderen. »Sollen wir wieder gehen?«
Jesahja hielt sie zurück. »Sieh mal, da unten in der Tür ist eine Katzenklappe.«
»Oh.« Lilli hatte die kleine Klapptür im unteren Drittel der Haustür gar nicht bemerkt.
»Du könntest den Kater rufen, Lilli. Vielleicht kommt er an die Tür.«
»Ich versuche es mal.« Lilli ging in die Knie, hielt die Katzenklappe ein Stückchen weit auf und rief: »Hallo Herr Kater!«
»Er heißt Smoky«, erinnerte Jesahja sie.
»Hallo Smoky?«
Nichts geschah.
»Vielleicht ist meine Stimme nicht laut genug.«
»In diesem Falle bin ich gern behilflich«, sagte Frau von Schmidt und drängte sich an Lilli vorbei. Mit ihrem schlanken Kopf drückte sie die Katzenklappe auf und miaute durchdringend: »Sir Smoky? Dürfte ich Sie einmal sprechen?«
Aus dem Haus drang ein leises Rascheln, dann ertönten zarte, tapsende Schritte, die immer näher kamen. Plötzlich hörten sie einen dumpfen Knall. Es klang, als sei der Kater von innen gegen die Tür gelaufen.
»Boing«, kommentierte Bonsai.
Frau von Schmidt legte verwundert den Kopf schief und trat zur Seite. Im nächsten Moment presste sich ein dicker kleiner Perserkater durch die Katzenklappe. Sein bauschiges, edles Fell war von dunkelgrauer, beinahe bläulicher Farbe und seine eingedrückte, platte Nase verlieh seinem Gesicht einen schläfrigen Zug. Seine gelben Augen richteten sich freundlich auf
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