Lilien im Sommerwind
wollen wir doch mal sehen, aus welchem Holz du geschnitzt bist, Victoria.«
Entschlossen setzte Tory sich ebenfalls ihre Sonnenbrille auf. »Aus ziemlich hartem.«
»Gut.« Faith wartete eine Lücke im Verkehr ab, dann wendete sie mit quietschenden Reifen und passierte die Ampel am Platz, kurz bevor sie rot wurde.
»Du wirst ein Strafmandat kriegen, noch bevor wir aus der Stadt sind.«
»Ach was. Das FBI hält unsere Dorfpolizisten heute bestimmt beschäftigt. Himmel! Ich liebe diesen Wagen!«
»Warum kaufst du dir dann nicht selber einen?«
»Dann könnte ich Cade nicht mehr damit nerven, ihn mir zu leihen.«
Als sie aus der Stadt heraus waren, drückte Faith aufs Gaspedal.
Torys Haare wehten im Wind. Sie genoss die Fahrt. Ein Abenteuer, dachte sie. Albern sein. Schon lange hatte sie sich diesem Gefühl nicht mehr hingegeben.
Geschwindigkeit. Hope war gern schnell gefahren. Sie war geradelt wie der Wind, hatte wagemutig die Arme hochgerissen und sich ganz dem Augenblick überlassen.
Jetzt tat Tory dasselbe. Sie warf den Kopf zurück und genoss die Geschwindigkeit und die Musik.
Es roch nach Sommer, und Sommer bedeutete Kindheit ...
»Da ist Cade.«
»Was?« Tory zuckte zusammen.
»Da.« Faith wies auf ein Feld. Zwei Männer standen zwischen den Baumwollpflanzen. Sie hupte und winkte lachend. »Jetzt flucht er bestimmt und jammert Piney vor, was für eine verrückte, verantwortungslose Schwester er hat. Mach dir keine Sorgen«, fügte sie hinzu. »Er denkt bestimmt, ich hätte dich verführt.«
»Ich bin okay.« Tory atmete tief durch. »Mir geht es gut.«
Faith warf ihr einen Blick zu. »Natürlich. Aber du siehst ein bisschen blass aus. Warum ... oh, Scheiße.«
Ein Kaninchen schoss über die Straße. Instinktiv trat Faith auf die Bremse. Der Wagen schleuderte, die Bremsen kreischten, doch dann hatte Faith ihn wieder in der Gewalt.
»Ich kann einfach kein Tier überfahren. Weiß der Himmel, warum sie einfach so auf die Straße rennen. Als ob sie darauf warten, dass ein Auto vorbeikommt und ...« Sie verstummte und warf Tory einen Blick zu. Kichernd schaltete sie herunter. »Oje.«
Tory blickte an sich hinunter. Der Inhalt der Coke- Flasche war auf ihrem Shirt gelandet. Mit den Fingerspitzen zog sie es vom Körper ab und warf Faith einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Na ja, ich konnte doch das kleine Häschen nicht überfahren, oder?«
»Tu mir einen Gefallen und fahr bei mir zu Hause vorbei, damit ich mich umziehen kann, ja?«
Gehorsam bog Faith in Torys Feldweg ein und hielt vor dem Haus. Immer noch kichernd sprang sie aus dem Auto. »Ich wasche das Shirt schnell aus, während du dich umziehst. Es ist zwar schrecklich gewöhnlich, aber es wäre trotzdem schade darum.«
»Es ist klassisch.«
»Das glaubst du.« Erfreut über die Abwechslung lief Faith die Treppe hinauf. »Lass dir ruhig Zeit beim Restaurieren«, sagte sie und öffnete die Tür. »Du hast es nötiger als ich.«
»Du musst dich vermutlich auch nicht besonders lang herrichten, um in das nächste verfügbare Bett zu hüpfen, oder?«
Grinsend folgte Faith ihr ins Schlafzimmer, öffnete Torys Schrank und sah sich ihre Kleider an. »Hey, ein paar von deinen Sachen sind gar nicht so schlecht.«
»Lass die Finger von meinen Kleidern!«
»Das ist eine gute Farbe für mich.« Sie holte eine dunkelblaue Seidenbluse heraus und drehte sich zum Spiegel. »Bringt meine Augen zur Geltung.«
Tory nahm Faith die Bluse weg und drückte ihr das feuchte Shirt in die Hand. »Da. Mach dich nützlich.«
Faith verdrehte die Augen, ging aber gehorsam ins Badezimmer, um das Shirt auszuwaschen. »Wenn du sie in den nächsten Tagen nicht anziehen willst, könntest du sie mir leihen. Ich habe mir gerade überlegt, dass Wade und ich morgen vielleicht einen gemütlichen Abend zu Hause verbringen. Und wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, hätte ich sie sowieso nicht lange an.«
»Dann spielt es doch auch keine Rolle, was du trägst.«
»Diese Bemerkung beweist nur, wie dringend du mich brauchst. Was eine Frau trägt, steht in direkter Beziehung dazu, wie der Mann reagieren soll.«
Tory, die gerade ein weißes T-Shirt aus dem Schrank holen wollte, betrachtete stirnrunzelnd die Seidenbluse. Warum eigentlich nicht?
Sie knöpfte die Bluse zu und trat an den Spiegel, um sich die Haare zu kämmen. Sie würde sie zusammenbinden. Sie wollte schließlich ihre Großmutter trösten, da durfte sie nicht frivol aussehen.
Sie begann, sich einen Zopf
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