Lilien im Sommerwind
zu flechten. Die gleichmäßige Bewegung und das Surren des Deckenventilators lullten sie ein. Mit halb geschlossenen Augen blickte sie verträumt in den Spiegel.
Sie sah, wie das Kaninchen auf die Straße lief. Und panisch vor Angst vor den Menschen floh.
Jemand kam. Jemand beobachtete sie.
Ihre Arme erstarrten in der Bewegung und ihr wurde eiskalt. Auf einmal roch es schwach nach Whiskey.
Die Beute roch den Jäger.
Mit einem Satz war sie an ihrem Nachttisch und holte die Pistole heraus, die Cade ihr gegeben hatte. Ein Wimmern stieg in ihr auf, aber sie drängte es zurück. Als sie aus dem Zimmer rannte, kam Faith gerade aus dem Bad.
»Ich habe es tropfnass aufgehängt. Du kannst es auswringen, wenn ...« Ihr Blick fiel auf die Waffe. »O Gott«, stieß sie hervor. Tory packte sie am Arm.
»Stell jetzt keine Fragen, wir haben nicht viel Zeit. Geh vorne raus, beeil dich. Steig ins Auto und hol Hilfe. Ich versuche, ihn aufzuhalten.«
»Komm mit mir. Komm sofort mit mir.«
»Nein.« Tory lief zur Küche. »Er kommt. Los!«
Sie rannte zum Hintereingang, damit Faith Zeit hatte zu fliehen. Und um sich ihrem Vater zu stellen.
Er trat die Tür ein und schlurfte herein. Seine Kleidung war schmutzig, sein Gesicht und seine Arme zerkratzt und übersät von Mückenstichen. Er schwankte ein wenig, aber sein Blick war starr auf seine Tochter gerichtet. In der einen Hand hielt er eine leere Flasche, in der anderen eine Pistole.
»Ich habe auf dich gewartet.«
Tory packte den Revolver fester. »Ich weiß.«
»Wo ist dieses Lavelle-Flittchen?«
Weg. In Sicherheit. »Hier ist niemand außer mir.«
»Verlogene kleine Hure. Du gehst doch keine zwei Schritte ohne diese reiche Göre. Ich will mit ihr reden.« Er grinste. »Ich will mit euch beiden reden.«
»Hope ist tot. Es gibt nur noch mich.«
»Das stimmt, das stimmt.« Er hob die Flasche, stellte fest, dass sie leer war und warf sie an die Wand, wo sie krachend zersplitterte. »Ist ja umgebracht worden. Hat sie aber verdient. Ihr habt beide immer verdient, was ihr bekommen habt. Habt gelogen und seid herumgeschlichen. Habt euch gegenseitig auf unzüchtige Art berührt.«
»Zwischen mir und Hope gab es nur Unschuld.« Tory lauschte auf das Dröhnen des Motors, hörte aber nichts.
»Denkst du, ich hätte es nicht gewusst ?« Er fuchtelte wild mit der Pistole herum, aber sie zuckte nicht. »Glaubst du, ich habe nicht gesehen, wie ihr nackt geschwommen seid und euch gegenseitig bespritzt habt, bis das Wasser an euren Körpern herunterlief?«
Es bereitete ihr Übelkeit, dass er diese Kindheitserinnerung so in den Schmutz zog. »Wir waren acht Jahre alt. Aber du nicht. Die Sünde lag in dir. Immer schon. Nein, bleib stehen.« Sie hob den Revolver. »Du fasst mich nicht noch einmal an. Und auch sonst niemanden. Hat Mama dir dieses Mal nicht genug Geld gegeben? Hat sie sich nicht schnell genug bewegt? Hast du es deshalb getan?«
»Ich habe nur die Hand gegen deine Mutter erhoben, wenn es sein musste. Gott hat den Mann zum Herrn in seinem Haus gemacht. Leg das Ding weg und gib mir etwas zu trinken.«
»Die Polizei ist auf dem Weg hierher. Sie haben nach dir gesucht, wegen Hope, wegen Mama und all den anderen.« Als er auf sie zutrat, zitterte der Revolver in ihrer Hand. Im Kopf hörte sie das zischende Geräusch des Gürtels, der auf sie niedersauste.
»Wenn du mir zu nahe kommst, schieße ich.«
»Du glaubst, du kannst mir Angst einjagen? Du hattest noch nie auch nur einen Funken Mumm.«
»Was man von mir nicht behaupten kann.« Faith erschien hinter Tory. Die kleine Pistole schimmerte in ihrer Hand. »Wenn sie Sie nicht erschießt, dann tue ich es. Das schwöre ich.«
»Du hast gesagt, sie sei tot. Du hast gesagt, sie sei tot.« Panisch vor Entsetzen sprang er auf Tory zu und drückte sie gegen die Wand. Ein Schuss knallte, und der Geruch nach Blut erfüllte die Luft.
Sie taumelte gegen Faith, während ihr Vater heulend durch die geborstene Tür nach draußen stürmte.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst fahren.« Zähneklappernd sank Tory in die Knie.
»Ich habe aber nicht auf dich gehört.« Faith lehnte sich an die Wand. »Ich habe von Cades Autotelefon aus die Polizei gerufen.«
»Und dann bist du zurückgekommen.«
»Ja.« Faith atmete keuchend aus.
»Ich habe Blut gerochen.« Tory sprang auf. »Hat er dich erwischt?«
»Nein. Du hast auf ihn geschossen, Tory. Komm zur Besinnung.«
Tory starrte auf ihre Hände. Sie hielt immer noch den Revolver.
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