Lilien im Sommerwind
Der Mann ist nicht übel, aber die Frau hat ein Kostüm an, in dem ich nicht begraben sein möchte. Außerdem ist sie eine Yankee. Bei ihm weiß ich nicht. Er hat bisher den Mund noch nicht aufgemacht. Wenn du mich fragst, hat sie das Sagen.«
»Du meine Güte, das interessiert mich nun wirklich nicht.« Tory stand mit zitternden Knien auf.
Bevor sie ihre Fassung wiedergewinnen konnte, klopfte es energisch an der Tür. Dann wurde sie geöffnet. »Miss Bodeen?«
»Ja, ich ... ja.«
»Ich bin Special Agent Tatia Lynn Williams.« Die Frau
zeigte ihren Ausweis. »Und das ist Special Agent Marks. Wir müssen mit Ihnen reden.«
»Haben Sie meinen Vater gefunden?«
»Noch nicht. Hat er Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
»Nein. Ich habe ihn weder gesehen noch von ihm gehört. Er weiß, dass ich ihm nicht helfen würde.«
»Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen.« Williams warf Faith einen scharfen Blick zu.
Sofort schoss Faith hinter den Schreibtisch und legte Tory einen Arm um die Schulter. »Das ist die Verlobte meines Bruders. Ich habe ihm versprochen, bei ihr zu bleiben, und ich werde mein Wort halten.«
Marks zog sein Notizbuch heraus. »Und wie ist Ihr Name?«
»Faith Lavelle. Tory macht zur Zeit vieles durch. Ich bleibe bei ihr.«
»Kennen Sie Hannibal Bodeen?«
»Ja. Und ich glaube, dass er vor achtzehn Jahren meine Schwester umgebracht hat.«
»Dafür gibt es keinen Beweis«, erwiderte Williams gleichmütig. »Miss Bodeen, wann haben Sie Ihre Mutter zuletzt gesehen?«
»Im April. Mein Onkel und ich sind zu ihr gefahren. Ich habe schon seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern gehabt. Meine Mutter hatte ich nicht mehr gesehen, seit ich zwanzig war, und meinen Vater eigentlich auch nicht, bis er dann hierher in meinen Laden kam.«
»Und zu diesem Zeitpunkt wussten Sie bereits, dass er flüchtig war?«
»Ja.«
»Und doch haben Sie ihm Geld gegeben.«
»Er hat das Geld genommen«, korrigierte Tory. »Aber ich hätte es ihm auch gegeben, damit er ging.«
»Ihr Vater war Ihnen gegenüber gewalttätig.«
»Mein ganzes Leben lang.« Tory setzte sich.
»Und Ihrer Mutter gegenüber?«
»Nein, nicht wirklich. Das musste er auch gar nicht. Ich
glaube, er hat sie vielleicht erst in den letzten Jahren geschlagen, als ich nicht mehr da war, aber das ist nur eine Vermutung.«
»Mir wurde gesagt, dass Sie keine Vermutungen anzustellen brauchen.« Williams blickte sie eindringlich an. »Sie behaupten, über übersinnliche Wahrnehmungen zu verfügen.«
»Ich behaupte gar nichts.«
»Sie waren vor ein paar Jahren in einige Fälle von Kindesentführung verwickelt.«
»Was soll das mit dem Mord an meiner Mutter zu tun haben?«
»Sie waren mit Hope Lavelle befreundet.« Marks setzte sich, während seine Partnerin stehen blieb.
»Ja, sehr gut befreundet.«
»Und Sie haben die Familie und die Polizei zu ihrer Leiche geführt.«
»Ja. Sie kennen sicher die Berichte. Ich habe ihnen nichts hinzuzufügen.«
»Sie behaupteten, den Mord an ihr gesehen zu haben.« Als Tory nicht antwortete, beugte Marks sich vor. »Vor kurzem haben Sie Abigail Lawrence, eine Anwältin aus Charleston, um Hilfe gebeten. Sie waren an einer Reihe von Sexualmorden interessiert. Warum?«
»Weil alle Opfer von der gleichen Person umgebracht wurden, von der Person, die auch Hope getötet hat. Weil jede von ihnen für den Mörder Hope war, im jeweiligen Alter.«
»Sie ... spüren das«, kommentierte Williams. Tory blickte sie an.
»Ich weiß es. Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie mir glauben.«
»Wenn Sie es wissen«, fuhr Williams fort, »warum sind Sie dann nicht zu uns gekommen?«
»Wozu? Um Sie zu belustigen? Um mir immer wieder vorhalten zu lassen, was mit Jonah Mansfield passiert ist? Sie wissen alles, was Sie über mich wissen müssen, Agent Williams.«
Marks holte eine Plastiktüte aus seiner Tasche und warf sie auf den Schreibtisch. Ein einzelner Ohrring befand sich darin, ein einfacher goldener Reif. »Was können Sie uns darüber sagen?«
Tory rührte sich nicht. »Es ist ein Ohrring.«
»Wir wissen ebenfalls über Sie, dass Sie unter Druck sehr kühl reagieren.« Williams trat an den Schreibtisch. »Sie waren so an den Morden interessiert, dass Sie Informationen darüber haben wollten. Wollen Sie denn jetzt nicht wenigstens wissen, welche Informationen Ihnen der Ohrring vermitteln kann?«
»Ich habe Ihnen über meinen Vater alles erzählt, was ich weiß. Und wenn ich kann, werde ich Ihnen
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