Lilienblut
Wahrheit. Sabrina nahm sich vor, nichts mehr zu verschweigen.
»Beate hat die Désirée gesehen. Fast ein halbes Jahr später ist sie wieder aufgetaucht.«
»Wer ist das?«, fragte Franziska.
Auch Lukas sah verblüfft hoch und runzelte die Stirn. »Das ist doch das Schiff von diesem Rumtreiber?«
Etwas in Sabrina weigerte sich, Lukas’ Verachtung zu teilen. Auch wenn Kilian irgendetwas mit all den Rätseln zu tun hatte, so gab es keinen Grund, ihn ständig zum Hauptverdächtigen zu machen. Selbst wenn alles, aber auch alles gegen ihn sprach.
»Désirée«, wiederholte Michael. »Klingt ja eigentlich ganz hübsch.«
Sabrina merkte, wie geschickt der Psychologe immer wieder die Spannungen im Raum durch kleine Bemerkungen erträglicher machte. Vielleicht hätte ich doch mal mit ihm reden sollen, dachte sie. In diesem Moment sah Michael sie an und nickte ihr aufmunternd zu.
»Dieses Schiff ist also nach Amelies Tod verschwunden«, sagte er. »Und deine Freundin Beate hat es dann wiedergesehen?«
»Am Freitag nach der Schule. Wir haben uns gestritten deshalb. Am Samstag wollte ich einfach nachschauen, ob es da war oder nicht.«
Lukas drehte den Kopf weg. Sabrina spürte, dass er verletzt war, aber sie hatte keine Ahnung, warum.
Franziska setzte ihren Becher so heftig ab, dass etwas Glühwein über den Rand schwappte. »Aber weshalb denn, um Gotteswillen?«
»Ich wollte wissen, ob er Amelies Mörder ist.«
Lukas sprang auf. Sein Stuhl kippte um. Er lief ein paar Schritte auf und ab, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und hob ihn dann wieder auf.
Franziska schüttelte den Kopf. »Du bist ja wahnsinnig, so etwas zu tun. Was, wenn er dich auch noch … Hast du denn keinen Moment daran gedacht, dass dieser Mann gefährlich sein könnte?« Sie war ganz blass geworden.
Lukas stöhnte auf. »Ich verstehe dich nicht. Wirklich. Da kommt ein Killer zurück und du hast nichts Besseres zu tun als sofort allein auf die Werth zu rennen?«
»Beate kam doch noch mit.« Es klang sehr kleinlaut und die ganze Wahrheit war es auch nicht. Aber im Großen und Ganzen entsprach es den Tatsachen. Sabrina hätte nie geglaubt, dass ihr Ausflug so ein Entsetzen auslösen würde.
Der Einzige, der die Ruhe selbst blieb, war Michael. »Und, war er da?«, fragte er.
Sabrina nickte. Plötzlich waren alle still. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, worauf sie warteten.
»Ja, und ich habe mit ihm gesprochen. Er hat …« Sie brach ab. Er hat ein Albtraum-Zimmer auf seinem Schiff, wollte sie sagen. Ein absolutes Horror-Kabinett. Doch das hätte alles noch schlimmer gemacht. »Er hat gesagt, dass Amelie da war, aber sie wäre wieder gegangen.«
»Und das glaubst du ihm?« Lukas sah richtig wütend aus. »Dieser Typ ist gefährlich! Der hätte alles mit euch machen können!«
»Hat er aber nicht«, antwortete Sabrina ruhig. »Er war stinksauer, dass wir bei ihm eingebrochen sind. Aber er hat uns nichts getan.«
Franziska trank den Rest ihres Glühweins in einem Zug aus. »Wo ist er jetzt?«
»Weg.«
Lukas griff zu seinem Handy. »Ich rufe die Polizei an. Die sollen sich den toten Fluss mal genauer ansehen. Vielleicht finden sie diesen Irren jetzt endlich. Weit kann er ja noch nicht sein.«
»In zwei Tagen?«, gab Michael zu bedenken. »Da kann er schon in Rotterdam sein.«
»Egal.«
Lukas stand auf und verließ die Küche. Sabrina hörte seine Stimme im Flur. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte, denn Franziska hatte wohl beschlossen, ihre Autorität aus der Schublade zu holen und dem ganzen Spuk um Sabrina, Kilian, Berti und wer sonst noch alles in diese Sache verwickelt war, ein Ende zu setzen.
»Das hört auf. Sofort. Du gehst da nicht mehr hin. Und damit du dir das merkst, hast du die Winterferien über Hausarrest.«
»Ich bin sechzehn!«
»Dann benimm dich nicht, als wärst du sechs! Ich kann nicht fassen, was du hinter meinem Rücken getan hast! Und das Schlimmste ist: Du hast mich angelogen. Wie soll ich dir jemals wieder vertrauen können?«
»Langsam, langsam, Franziska.«
Aber Michael Gerber hatte auch schlechte Karten. Wenn ihre Mutter sauer war, dann gründlich. »Dieser Schiffer ist vielleicht ein Mörder. Ist dir das eigentlich klar?«
»Nein.« Sabrina stand auf und umrundete den Tisch. Am liebsten hätte sie vor Wut noch gegen die Tür getreten. »Während Beate und ich bei ihm waren, hat er jedenfalls niemanden umgebracht!«
»Du gehst nicht mehr dahin.«
»Natürlich nicht.« Sabrina
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