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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Bronze bei ihrem glorreichen Versuch zusah, die Stadt mit Bienenkörben zu verteidigen. Sabrina spürte, wie ihre Laune noch mehr in den Keller sank. Das also war ihr Desaster-Geburtstag. Schlimm begonnen und nicht besser geworden.
    »Weißt du was über eine Bahntrasse?«, fragte sie.
    Amelie zuckte mit den Schultern. »Nein. Warum?«
    »Janine, die Tonne mit dem Nuss-Kuss auf dem Kopf, hat das erwähnt. Sie wusste von dem Weinberg und dass ihn meine Mutter gepachtet hat.«
    Amelie grinste. »Und jetzt will sie dir damit Angst machen, dass eine Bahntrasse über einen Steilhang geführt wird? Die hat sie doch nicht mehr alle.«
    »Sie sagte was von Erosionsgefahr. Soweit ich weiß, ist das der Grund, weshalb die Berge damals den Winzern von der Stadt abgekauft worden sind. Sie waren zu steil und durch den Bau der Bahnstrecke hätten sich Steinbrocken lösen können.«
    »Ja, aber das ist doch jetzt kein Thema mehr. Sonst hätte euch die Stadt den Hang doch nicht zurückgegeben.«
    Sabrina runzelte die Stirn. »Mich wundert, dass Kreutzfelder so mir nichts, dir nichts darauf verzichtet hat. – Was ist denn mit dir und Lukas heute Abend?«
    Amelie setzte sich auf. »Nichts. Ich hab was Besseres vor. Wir beide, um genau zu sein.«
    »Was denn?« Vielleicht ins Kino? Irgendwann musste doch etwas passieren, das diesen Tag noch retten würde.
    Aber Amelie schüttelte den Kopf. »Im Hafen liegt kein Schiff, hast du gesagt. Stimmt’s?«
    Sabrina nickte. Worauf wollte Amelie hinaus?
    »Dieser Typ von heute Nachmittag, erinnerst du dich?«
    Sofort tanzte in Sabrinas Magen eine Ladung Stecknadeln. Natürlich erinnerte sie sich an ihn. Und an den Blick aus seinen strahlend blauen Augen. Egal, wem er gegolten hatte.

    »Ich schwöre, er ist ein Schiffer. Und wenn sein Kahn nicht im Hafen liegt, wo denn dann?«
    »Es gibt eine Menge Anlegeplätze. Er könnte Gott weiß wo sein.«
    Amelie schüttelte den Kopf. »Wenn er noch einen Liegeplatz hätte suchen müssen, wäre er nicht am späten Nachmittag über den Markt geschlendert, als ob er alle Zeit der Welt hätte. Man geht nur an Land, wenn das Schiff gut liegt. Ich hab die ganze Zeit darüber nachgedacht. Es ist hier in der Nähe.« Triumphierend sah sie Sabrina an. »Und ich weiß auch, wo.«
    Sabrinas Herz machte einen Sprung. »Wo?«, fragte sie atemlos.
    Amelie stand auf. »Komm mit. Dann zeig ich’s dir.«

SECHS
    Hinter Krippe 8 begann der Urwald. Das Naturschutzgebiet war eingezäunt, aber der Maschendraht war biegsam und ließ sich hoch genug anheben, um darunter durchzuschlüpfen. Nachdem ihnen das gelungen war, gingen sie ein paar Schritte durch das kniehohe Dickicht. Unter den hohen Bäumen war es noch dunkler als draußen, wo die Sonne bereits hinter den Bergen verschwunden war und ein dunstiger Schleier sich über das Rheintal gelegt hatte.
    Der Wind säuselte durch die hohen Baumkronen. Vögel schrien und verbreiteten die Ankunft der ungebetenen Gäste.
    »Autsch! Was ist denn das? Mutanten?« Amelie kratzte sich am Knie und musterte die fast zwei Meter hohen Brennnesseln mit einer Mischung aus Wut und Respekt. »Wenn ich das gewusst hätte … Geh du vor, du hast eine Hose an.«
    Sabrina drängte sich vorbei und trat Brennnesseln und kratzende Vogelbeersträucher zur Seite, sodass Amelie ihr einigermaßen unverletzt folgen konnte. Sie musste die Arme heben, damit die Zweige ihr nicht ins Gesicht peitschten. Ihre Badetasche wurde schwerer und schwerer und schlug bei jedem Schritt an ihre Beine. Nach wenigen Minuten war sie schweißgebadet.
    »Und du glaubst wirklich, wir kommen von hier zum toten Fluss?«
    »Es geht gar nicht anders. Wir müssen auf ihn stoßen. Du wirst wahrscheinlich gleich reinfallen.«
    Sabrina blieb so plötzlich stehen, dass Amelie beinahe in sie gerannt wäre. »Da!«, flüsterte sie. »Was ist das?«
    Ein irisierendes, grünes Augenpaar starrte sie aus nächster Entfernung an. Amelie gab einen Zischlaut von sich. Die Lichtreflexe verschwanden, ein leises Krachen und Knacken
im Unterholz verriet, dass ihr Verursacher sich aus dem Staub machte.
    »Füchse«, antwortete Amelie. »Max und Moritz heißen sie. Sie sind so etwas wie die Maskottchen der Halbinsel.«
    Sabrina nickte und ging weiter. Ihr war nicht wohl bei diesem Abenteuer. Man schlich nicht nach Einbruch der Dunkelheit durch einen Urwald, nur um jemanden zu überraschen, der vielleicht gar nicht entdeckt werden wollte. Aber Amelie hatte recht: Durch die Mündung des Seitenarms

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