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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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bin ich ratloser weggegangen, als ich gekommen bin.«
    Die Wirtin kam, brachte die Getränke, arrangierte das Besteck und stellte einen Korb mit frisch gebackenem Brot vor ihnen ab. Aus der Küche drang ein appetitlicher Duft.
    »Du lässt jetzt also alles die anderen machen.«
    Wütend hob Sabrina den Kopf und blitzte Beate an. »Ich würde sagen, ich halte mich jetzt einfach mal ein bisschen raus. Es hat nichts gebracht. Im Gegenteil. Ich hatte sogar das Gefühl, es wird gefährlich. Oder läufst du gerne abends an der Werth rum und wirst von einem kichernden schwarzen Schatten verfolgt? Was würdest du davon halten, wenn du jemanden suchst und in seiner Wohnung nur haufenweise eklige Maden und Fliegen findest? Oder wenn Typen, die doppelt so breit sind, wie du groß bist, die Ärmel hochkrempeln und dir sagen, du sollst dich nie mehr blicken lassen?«
    »Krass cool«, hauchte Beate. »Also das mit den Maden und Fliegen …«
    Genau passend zu diesem Gesprächsthema kam das Rehgulasch.
    »Außerdem …« Sabrina spießte ein Stück Fleisch auf und ließ die Gabel dann doch wieder sinken. »Außerdem will er mit mir schlafen.«
    »Der Typ mit den hochgekrempelten Ärmeln? Oder das Madenmonster?«
    Sabrina hatte gerade den Mund voll und schüttelte nur den Kopf.
    »Lukas? Geil.’tschuldigung. Interessant, meine ich. Und du?«
    »Ich weiß es nicht.« Sabrina schluckte. »Amelie sagt, man spürt, wenn etwas richtig ist.«
    »Nicht immer.« Beate nahm das Salzfass und würzte nach. »Die größten Dämlichkeiten passieren doch genau deshalb. Frag mal meinen Großvater. – Nein, lieber nicht«, setzte sie hinzu, als sie Sabrinas Gesicht sah. »Und? Ist es richtig?«
    Sabrina seufzte.

    »Wann hat Amelie das denn gesagt?«
    »Neulich.«
    Beate musterte sie mit einem unergründlichen Blick. »Du redest mit ihr? Obwohl sie tot ist?«
    Sabrina bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass sie schon wieder gefährlich nahe an dem Etikett »harmlos, aber irre« entlangschrammte. »Ich denke an sie und daran, was sie in solchen Situationen gemacht hätte.«
    »Und was hätte sie mit Lukas gemacht?«
    Jetzt schaute Sabrina aus dem Fenster, aber sie saß Beate gegenüber und hatte nur den Blick auf die Rheinbrücke, auf der sich der Verkehr wieder einmal staute. »Sie kam mit ihm nicht klar.«
    »Ach so. Und was Amelie nicht mochte, darfst du auch nicht mögen. Ist es das?«
    »Quatsch.«
    Sabrina beschloss, das Essen nicht kalt werden zu lassen. So etwas Leckeres gab es höchstens mal sonntagsmittags. Sie schaufelte Gulasch, Klöße und Rotkraut in sich hinein, um nicht weiter auf die bissigen Kommentare eingehen zu müssen.
    Aber Beate hörte nicht auf. Sie hatte ihren Teller nur halb leer gegessen und schob ihn zur Seite. »Du bist Sabrina und nicht Amelie. Du triffst deine eigenen Entscheidungen. Du hast deinen eigenen Geschmack. Ich finde, du steigerst dich da ein bisschen zu sehr rein in diese Ich-rede-mit-ihr-Sache.«
    »Es ist keine Sache. Es ist wirklich so. Tut mir leid, wenn du keine engen Bindungen in deinem Leben hast und das nicht verstehen kannst. Aber ich hatte sie.«
    Die Worte waren Sabrina herausgeschlüpft, ehe sie darüber nachdenken konnte. Im gleichen Moment tat es ihr leid. Beate presste die Lippen zusammen und starrte aus dem Fenster an ihr vorbei auf einen Punkt in weiter Ferne.
    Hilflos versuchte Sabrina, dem Gesagten die Spitze zu nehmen. »Ich meine natürlich, wenn du keine beste Freundin hattest. Klar hast du Leute, die du gern hast. Deine Eltern. Deinen Großvater.« Sie brach ab.

    Die Wirtin räumte die Teller ab. »Na Mäuschen, wie war die Mathearbeit?«, fragte sie.
    Beate lächelte etwas gezwungen. »Ganz gut, danke. Jetzt sind erst mal Ferien. Ich komme Anfang Januar wieder.«
    »Grüß den Richter von mir.«
    »Mach ich.«
    Die Frau verschwand mit den Tellern.
    Beate strich über die Tischdecke, aber das war völlig unnötig, denn sie lag glatt und faltenlos da. »Sie weiß mehr über mich als meine Eltern. Mein Vater ist Ingenieur auf einer Bohrinsel in der Nordsee. Sagt er wenigstens. Vielleicht sitzt er auch in Puerto Rico im Knast, ich habe ihn jedenfalls seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Meine Mutter arbeitet als Anwältin in Bonn. Sagt sie. Sie könnte auch Astronautin sein oder Polarforscherin. Sie geht morgens um sechs aus dem Haus und kommt nach Mitternacht zurück. Am Wochenende vielleicht etwas früher. Ich bin ihr vor zwei Wochen zum letzten Mal begegnet. Und mein Großvater

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