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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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zog sich sofort zurück. »Das tut mir leid. Ich wollteSie nicht stören. Ich kann auch gerne später noch einmal anrufen   …«
    »Nein, nein. Ich wollte nicht unfreundlich sein. Sie können ja nichts dafür. Und eigentlich freue ich mich, eine nette Stimme zu hören.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Ja dann«, nahm sie einen zweiten Anlauf, »ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie nicht Lust hätten, einen Kaffee trinken zu gehen. Es ist so schönes Wetter und wir könnten irgendwo draußen sitzen. Ich fand das letztens sehr angenehm mit Ihnen.«
    Ich überlegte kurz: Einen ganzen Tag nur mit mir selbst zu verbringen klang wenig verlockend. Ich sah mich schon am Abend mit hoffnungslosem Blick vor dem Fernseher sitzen und antwortete schnell: »Wenn Sie mir noch zwei Stunden Zeit geben, gern. Ich bin mitten im Wohnungsputz und überhaupt nicht ausgehfein. Außerdem wollte ich noch auf eines der Blumenfelder am Starnberger See fahren. Es gibt bereits Lilien und ich   … ich brauche das heute. Für meinen Seelenfrieden.«
    »Seelenfrieden klingt gut. Und Blumenfeld auch. Nehmen Sie mich mit?«
    »Wissen Sie was«, antwortete ich. »Sie holen mich in zwei Stunden hier ab, dann fahren wir in ein schönes Café und anschließend raus zum See. Einverstanden?«
    »Einverstanden. Ich freu mich.«
    Wir legten auf, und ich war froh, dass sie angerufen und mich aus meiner Höhle ans Licht gezwungen hatte. Es würde ja nichts helfen, Löcher in die Luft zu starren und selbstzerstörerisches Gedankengut zu ventilieren. Als ich jedoch anderthalb Stunden später vor dem Spiegel stand,hielt ich mitten in der Bewegung inne und warf Lippenstift und Wimperntusche zurück in das Schminktäschchen. Wozu, dachte ich trotzig. Perlen vor die Säue. Mit einer Bürste fuhr ich mir beinahe grob durchs Haar und beschloss, mein altes blaues Kleid anzuziehen. In dieser Stimmung war es mir egal, ob irgendjemand die Nase darüber rümpfen würde. Außerdem fühlte ich mich darin so wohl wie in nichts anderem. Ich trug es den siebten Sommer, es hatte vorn den Abdruck eines zu heißen Bügeleisens und die Farbe war bereits verwaschen. Meine Mutter verzog jedes Mal grimmig das Gesicht, wenn sie mich darin sah, aber es hatte mich durch sämtliche Sommerferien in Italien, Frankreich und Griechenland begleitet und in meinem Leben hatte ich kein Kleid lieber gemocht als dieses. Es war mein Glückskleid. Ich zog es über den Kopf, schloss erst den Reißverschluss, dann den schmalen Gürtel, schlüpfte in ein Paar Sandaletten und stellte fest: Der Zauber wirkte. Das Kleid gab mir Schwung. Als Julia mich abholte und ich zu ihr in den Wagen stieg, lächelte ich sogar.
     
    Wir beschlossen, ins »Sarcletti« am Rotkreuzplatz zu fahren, weil es dort die beste Zuppa Romana der Stadt gab. Unterwegs erzählte ich Julia vom Abend zuvor. Die Geschichte von Fabians Nasenhaar kannte sie bereits und hatte darüber schallend gelacht, aber als ich ihr Richards Auftritt schilderte, war sie sprachlos und schüttelte den Kopf. Eine Erklärung für sein Verhalten hatte sie ebenso wenig wie ich.
    »Das haben Sie doch gar nicht nötig«, sagte sie abschließend und fand zu ihrer alten Gelassenheit. »Sehen Sie sich doch nur an. Es gibt wohl niemanden, der nicht am Sonntagmorgen neben Ihnen aufwachen möchte.«
    Ich schmunzelte. »Sie vergessen Richard.«
    »Kein Grund, sich an den zu erinnern.« Sie gab Gas und überfuhr eine Ampel, die bereits auf Orange geschaltet hatte.
     
    Datum: 13.   Mai 2007 22.47   Uhr
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Lilienrupfer
     
     
    Lieber Robbie,
     
    ein weiteres Mal sehe ich mich in meinem Glauben an das Schicksal bestätigt. Wäre ich vor ein paar Wochen nicht vom Rad gestürzt, dann wäre ich nicht im Krankenhaus gelandet, hätte nicht Julia Lambert kennengelernt und hätte ganz bestimmt nicht heute Nachmittag mit ihr im »Bohne & Malz« gesessen, obwohl wir eigentlich im »Sarcletti« Kaffee trinken wollten, aber da war – wieder Schicksal?– alles bis auf den letzten Platz besetzt. Ältere Herren im Sonntagsstaat, Mütter mit Kindern, Ömchen und ihre kleinwüchsigen Hunde sowie die von mir verwünschten Pärchen. Alles voll. Und nach drinnen wollten wir bei dem Wetter nicht.
    »Dort drüben hat ein neues Café aufgemacht. ›Bohne & Malz‹.« Julia deutete mit dem Kopf über den Platz. »Wir können unser Glück ja mal dort versuchen.«
    »Klar«, sagte ich ihrem Blick folgend. »Sieht doch gut

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