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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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Es tut weh, doch es gehört zum Leben.
    »Eines Tages«, erzählte er weiter, »stellte sich heraus, dass sie mich betrog. Es war furchtbar. Ich schlief nicht mehr, hatte Probleme, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, alles, was ich immer gut im Griff hatte, entglitt mir plötzlich. Und dann natürlich die Angst, sie könnte am nächsten Tag verschwunden sein.«
    »Und dann?«, fragte ich und richtete mich auf.
    »Zuerst habe ich versucht, so zu tun, als bemerke ich nichts. Aber dann tat sie alles ganz offensichtlich. Sie bemühte sich gar nicht mehr um Ausreden. Kam spät nach Hause oder gar nicht. Schob jeden Tag Überstunden. Sagte, sie führe übers Wochenende zu einer Freundin – das Übliche eben. Schließlich sprach ich sie darauf an, wir redeten uns nächtelang die Köpfe heiß, sie weinte und sagte, sie wisse nicht, was sie tun solle. Sie liebe mich, aber den anderen brauche sie auch. Als ich fragte, warum, hatte sie keine Antwort. Nach ein paar Tagen sagte sie, sie würde die Geschichte beenden. Aber ich glaubte ihr nicht und fuhr ihr eines Abends hinterher, als sie sagte, sie ginge mit einer Freundin zum Essen. Sie hatte mich angelogen. Ich entdeckte sie mit diesem Kerl im Parkhaus am Salvatorplatz. Sie lachten, küssten sich, hielten Händchen und gingen zu irgendeiner Vernissage in der Theatinerstraße. Fast den ganzen Weg schlich ich hinter ihnen her, ich Idiot. Es war entwürdigend. Ich hätte sofort Schluss machen sollen, aber ich konnte nicht. Ich konnte einfach nicht. Stattdessen schlich ich wie ein geprügelter Hund wieder heim undgoss mir zwei Flaschen Rotwein hinter die Binde. Es war nicht schwer herauszufinden, wie dieser Typ hieß. Ich hatte das Kennzeichen seines Wagens und einen Freund bei der Polizei. Und dann habe ich ihn angerufen und mich mit ihm getroffen.« Es war nicht frei von Komik, wie die Anspannung plötzlich aus seinem Gesicht wich und ein Ausdruck ehrlicher Entrüstung ihren Platz einnahm. Trotz aller Anteilnahme hatte ich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. »Weißt du«, sprach er weiter, »er war so eine Art Frauenversteher. So ein halbintellektueller Händchenhalter, der dauernd mit milder Stimme fragt: ›Und Liebes? Was hast du dabei empfunden?‹ Und einer, der es wagte, mir ebenso mild anzutragen, wenn ich sie wirklich liebte, sollte ich sie freigeben, ich würde sie nur zermürben, und das könne ich doch nicht wollen. Natürlich wollte ich das nicht, ich wollte, dass er abhaute und uns ihn Ruhe ließ. Freigeben! Der hatte wohl zu viel gekifft.«
    Jetzt lachte ich doch, wurde aber schnell wieder ernst und sagte: »Es muss doch einen Grund gegeben haben, dass sie dich betrog. Das passiert doch nicht einfach so.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du sie betrogen?«
    »Nein, da noch nicht.«
    »Wann dann?«
    »Nachdem sie zurückgekommen war.«
    »Du hast sie betrogen,
nachdem
sie zurückgekommen war? Aber warum?«
    »Weil mich die Geschichte fix und fertig gemacht hatte. Mir war das Heft aus der Hand genommen worden. Monatelang hatte ich nicht mehr richtig geschlafen und mir tagtäglich den Kopf zermartert. Alles hatte sich nur noch um sie gedreht. Und als sie wieder zurückgekommen war,hatte ich das Gefühl, ich müsse etwas tun, um ihr zu zeigen, dass ich sie nicht brauchte, dass ich nicht abhängig von ihr war.«
     
    An dieser Stelle wusste ich nicht, ob ich noch mehr hören wollte. Natürlich gibt es viele Menschen, die glauben, mit der Tragik einer vergangenen Liebesgeschichte Mitgefühl oder Verständnis beim anderen zu wecken, doch ich glaube, man sollte sie für sich behalten. Zumindest zunächst einmal. Sie ist nichts für die Ohren neuer Partner. Man gibt zu viel von sich preis und stellt meistens auch andere bloß. Und ist es nicht schon vorgekommen, dass ein argloser Vertrauensbeweis, später, wenn es sich ergab, zur messerspitzen Waffe wurde? Die man dann auf sich selbst gerichtet sah?
    Plötzlich war ich ins Grübeln geraten, Robbie. Und das wollte und will ich nicht. Ich habe mich gerade erst in Christian verliebt, ich wehre mich gegen die Schere im Kopf.
     
    Isolde.
    Es gab kein Zurück. Sie war an diesem Tag aufgetaucht, ich hatte es nicht anders haben wollen und deshalb würde Christian mir die Geschichte erzählen. Ich sah ihm an, dass er nicht glücklich darüber war, und hätte am liebsten gesagt: »Lass es gut sein, vergessen wir’s. Isolde hat nichts mit uns zu tun.« Ich war gerade dabei, den Satz auszusprechen, als

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