legte die Hände auf die Tastatur und begann zu tippen.
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Datum: 19. Januar 2008 19.38 Uhr
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Re: Your story – continued
Liebe Rebecca Williams,
herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Brief. Sie ahnen sicherlich, wie verblüfft ich war, nachdem ich ihn gelesen hatte. Verblüffung ist gar kein Ausdruck. Denn schließlich habe ich nie mit einer Erwiderung auf meine E-Mails gerechnet – schon gar nicht nach so langer Zeit –, dass sie aber einen
solchen
Weg nehmen würden, übersteigt meine Fantasie bei weitem.
Und DAS ist genau der Punkt, der mir Sorgen bereitet. Bitte, liebe Mrs Williams, fühlen Sie sich nicht vor den Kopf gestoßen, wenn ich sage: Ich kann Ihre Geschichte nicht glauben, sie erscheint mir buchstäblich zu wunderbar. Deshalb werden Sie sicher auch verstehen (und es mir verzeihen), dass ich Ihnen weder meine Telefonnummer noch meine Anschrift geben kann. Sollte ich Ihnen Unrecht tun (was ich in diesem Fall wirklich HOFFE), dann leiten Sie doch bitte meine E-Mail -Adresse an den deutschen Verlag von Mr _____ weiter. Vermutlich dürfte es kein Problem sein, sich auf diese Weise mit mir in Verbindung zu setzen, und ich ginge kein Sicherheitsrisiko ein.
Ihre E-Mail klang sehr nett und herzlich, deshalb bin ich sicher, Sie verstehen meine Vorbehalte. Sollten Sie sich als unbegründet erweisen, so möchte ich Sie jetzt schon eines wissen lassen: Auf einer Liste der Menschen, die ich für mein Leben gern kennenlernen würde, stünden Sie an erster Stelle. Ehrenwort!
Es grüßt Sie (wie immer)
Undine
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Ich schickte die E-Mail ab und bemühte mich, nicht länger an die Geschichte zu denken. Es juckte mich zwar in den Fingern, Julia anzurufen oder Till, der Stoff wäre schließlich abendfüllend und eine Flasche Rioja plus etliche Zigaretten wert, aber ich wollte mich nicht in die Sache hineinsteigern. Es reichte ja schon, mir Julia und mich vorzustellen, wie wir mit glänzenden Augen von Bestsellerlisten, Auslandsrechten und Verfilmungen sprachen, von Honoraren, die nicht mehr jede Tankfüllung ein finanzielles Wagnis sein ließen, von Journalisten, die für ein Interview mit dieser neuen, aufregenden, literarischen Stimme einfach alles gaben, ja vom Ruhm überhaupt.
Sich das erst auszumalen und
dann
enttäuscht zu werden – nein, das wollte ich nicht. Ich rief weder Julia an noch Till, sondern begnügte mich vor dem Fernseher mit einer Reportage über Connemara, den rauhen Westen Irlands. Danach ging ich ins Bett. Aber der Gedanke an Rebecca Williams ließ mich nicht los. Der Wunsch, jedes ihrer Worte würde doch wahr sein, ließ mich lange nicht einschlafen. Es waren im Grunde nicht die Bestsellerlisten und Honorare, die so verlockend schienen, vielmehr sehnte ich mich nach einem neuen, nach einem magischen Element in meinem Leben. Etwas, das mich dieser Lethargie entriss, die mich schon seit Monaten in ihren Fängen hielt. Ich lief auf Reserve und fühlte mich wie gelähmt.
Vielleicht ist es ja doch wahr, beschwor ich das All, bevor ich gegen halb drei endlich einschlief.
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Zunächst sah es nicht so aus. Von Rebecca Williams kam nicht mehr eine Zeile. Wie gut, dass ich niemandem etwasdavon erzählt hatte. Trotzdem linste ich weiterhin sooft wie möglich in mein E-Mail -Fach. Als sich nach drei oder vier Tagen noch immer nichts getan hatte, war ich entschlossen, die Sache zu vergessen.
Im Theater war es jetzt ruhiger. Wir hatten zu Silvester ein neues Stück herausgebracht: ›They’re Playing Our Song‹, ein Zwei-Personen-Musical von Marvin Hamlisch und Neil Simon. Die Premiere war gut gelaufen, wir wollten bis Mitte April weiterspielen und dann mit Shakespeares ›Viel Lärm um nichts‹ herauskommen. Franz würde wieder Regie führen, worauf ich mich sehr freute. ›A Midsummer Night’s Sex Comedy‹ war ein Riesenerfolg gewesen – wir hatten es mehr als zweihundertmal vor ausverkauftem Haus gespielt. Friedmann hatte gejubelt und sich solange auf Franz’ Schwelle gelegt, bis er dessen Zustimmung für eine neue Produktion in der Tasche hatte. Lediglich sein linkes Auge hatte leicht gezuckt, als Franz verkündete, wie er sich die Inszenierung vorstellte. Schlichte Kostüme aus edlen Stoffen, ein surreales, aber toskanisch anmutendes Bühnenbild, Clemens Stein und Maria Bernuth in den Rollen von Benedikt und Beatrice und natürlich eine Combo. Der Spaß würde teuer werden, Friedmann wusste