Lilientraeume
willst, unterschreib ich einen Schuldschein. Ich weiß, dass ich kein Recht und keinen Anspruch darauf habe, doch es gibt einfach niemanden sonst, zu dem ich gehen könnte.«
»Avery, du weißt, wo mein Scheckheft liegt. Geh rauf und hol es.«
»Nein.«
»Du tust, was ich dir sage, und zwar sofort. Falls du mit mir streiten willst, später gerne … Dann hör ich mir deine Meinung an, aber nicht jetzt – das hier betrifft nur mich und Traci.«
Avery erkannte, dass seine Entscheidung unumstößlich war, und gab sich geschlagen. »Meinetwegen«, knurrte sie. »Mach dich allerdings auf einen Riesenkrach gefasst.« Mit diesen Worten stürmte sie nach oben, um ihm kurz darauf das Scheckheft auf den Tisch zu werfen.
Er setzte sich und stellte einen Scheck aus. »Du bekommst das Geld.«
»Ich zah l ’s dir auf jeden Fall zurück.«
»Nein, das brauchst du nicht. Als einzige Gegenleistung verlang ich, dass du dich nicht mehr bei Avery blicken lässt – es sei denn, sie wünscht es. Nimm den Scheck und geh. Ich hoffe, du kommst irgendwie zurecht.«
»Ich weiß, dass du mich hasst …«
»O nein, ganz sicher hasse ich dich nicht. Immerhin hast du mir das größte Geschenk meines Lebens gemacht, meine Tochter, und das werde ich dir nie vergessen. Deshalb helf ich dir auch, und dann sind wir beide quitt.«
Eine klare Linie, dachte Avery.
»Schick mir deine Adresse oder eine Telefonnummer, sobald du eine Wohnung gefunden hast«, fuhr Willy B. mit ruhiger Stimme fort. »Mir, Traci, nicht Avery. Weil du zu ihr gegen ihren Willen nie mehr Kontakt aufnehmen wirst. Falls sie dich noch einmal sehen oder mit dir sprechen möchte, erfährt sie von mir, wie und wo sie dich erreichen kann.«
»Okay.«
Er faltete den Scheck und hielt ihn Traci hin.
»Danke. Du hast dieses Haus sehr gut in Schuss gehalten. Eigentlich sollte mich das nicht wundern, denn du warst immer schon sehr umsichtig und sehr sorgsam. Das meine ich ernst. Und Avery ist eine wunderschöne junge Frau geworden.« Sie presste eine Hand vor ihren Mund. »Es tut mir furchtbar leid. Alles tut mir furchtbar leid.«
»Ich glaub dir sogar. Trotzdem solltest du jetzt gehen. Es wird bald dunkel, und der Wetterbericht sagt Schneefälle voraus.«
Traci riss sich zusammen und stand auf. »Ich nehm an, du warst das Beste, was mir je in meinem Leben gelungen ist«, sagte sie zu Avery. »Obwohl ich eine denkbar schlechte Mutter war. Sich das einzugestehen fällt nicht leicht.«
Nachdem ihre Mutter weg war, trat Avery ans Fenster und beobachtete, wie ihr Wagen aus der Einfahrt auf die Straße bog. »Warum hast du ihr das Geld gegeben?«
»Weil sie trauert. Sie hat jemanden verloren, dem ihre Liebe galt, und mehr und mehr wird ihr zudem klar, dass sie vor Jahren etwas Kostbares leichtfertig wegwarf. Die Erkenntnis, es nicht ungeschehen machen zu können, verstärkt ihre Trauer nur. Deshalb hab ich ihr geholfen. Und auch um dieses Kapitel für uns beide endgültig abzuschließen.« Er sah sie fragend an. »Warum hast du mir nicht erzählt, dass sie bei dir war?«
»Aus diesem Grund bin ich hergekommen. Ich brauchte zunächst etwas Abstand, um überhaupt darüber zu sprechen. Ich weiß, ich hätte es dir gleich erzählen sollen. Dann wäre ihr Besuch nicht so überraschend für dich gewesen, aber irgendwie hab ich erst mal die Schotten dicht gemacht.«
»Ich weiß.« Er drehte sie vorsichtig zu sich um und zog sie sanft in seine Arme.
»Und als ich sie in deiner Küche sitzen sah, war ich bloß noch wütend.«
Er wiegte sie zärtlich hin und her. »Keine Angst. Wir kommen damit klar, Baby. Du und ich, wir werden nämlich mit allem fertig.«
Beruhigt durch seine Stimme, seine Nähe, den vertrauten Geruch schmiegte sie den Kopf an seine Brust. »Genau das hast du damals und seither bei allen möglichen Gelegenheiten gesagt. Und es war immer wahr. Ach, Dad, ich liebe dich so sehr.«
»Da ich deutlich größer bin als du, liebe ich dich noch viel mehr.«
Sie lachte leise. »Dafür hab ich Suppe für uns gekocht. Die MacTavish-Anti-Blues-Schinken-Kartoffel-Suppe.«
»Die ist jetzt bestimmt goldrichtig.«
»Okay. Während ich den Topf aus dem Auto hole, deckst du schon mal den Tisch.«
16
Owen arbeitete in der Werkstatt. Es war ein guter Ort für ihn, wenn er Zeit zum Nachdenken brauchte. Und im Augenblick gab es vieles, was ihn beschäftigte und worüber er ziemlich fruchtlos grübelte.
Was um alles in der Welt war los mit Avery? Während er den nächsten Schritt
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