Lilientraeume
Mittel greifen musste. Aber du lässt mir ja keine andere Wahl.«
»Und das tu ich nach wie vor nicht. Verdammt noch mal, hau einfach ab.«
»Denkst du, du bist die Einzige, die wütend ist? Ich kann die ganze Nacht so auf dir liegen bleiben, bis du endlich Vernunft annimmst und mir erklärst, was los ist. Unter vernünftigen Menschen ist das üblich.«
»Du tust mir weh.«
»O nein.«
Ihr Kinn begann zu zittern. »Meine Verbrennung …«
Er lockerte den Griff um den verletzten Arm, und sofort nutzte sie die Chance, um ihm heimtückisch wie ein Hai und schnell wie eine Schlange die Zähne in die Hand zu graben.
Zischend und fluchend holte er Luft, während er sie erneut niederrang. »Mein Gott, du hast so fest gebissen, dass ich blute.«
»Und ich beiß dich gleich ein weiteres Mal.«
»Also gut.« Der Schmerz in seiner Hand entfachte seinen Zorn. »Du willst es offenbar nicht anders. Deshalb lass ich dich nicht los, bis du mir endlich verrätst, was plötzlich in dich gefahren ist.«
»Genau dasselbe könnte ich dich fragen. Du zerrst mich aus meinem Restaurant, schleifst mich die Treppe rauf, schubst mich auf mein Bett …«
»Ich will bloß wissen, was an jenem Abend passiert ist. Was dich so verändert hat.«
Sie drehte ihren Kopf zur Seite und starrte die Wand an. »Ich will nicht mit dir reden.«
»Richtig, und zwar seit fast einer Woche nicht. Hab ich irgendwas vermasselt? Sag es mir. Wenn du unsere Beziehung beenden willst, möchte ich es zumindest aus deinem Mund hören. So viel Offenheit schuldest du mir. Und falls es sich um etwas anderes handelt, sollte ich ebenfalls eine ehrliche Antwort erhalten. Verdammt, Avery, mach endlich den Mund auf! Spuck es aus, ganz egal worum es geht!«
»Es betrifft letztlich das, was seit ein paar Wochen zwischen uns läuft.« Sie kniff unglücklich die Augen zu, weil sie diese Geschichte und sich selbst unendlich leid war. Sie hatte Owen wehgetan. Grundlos. Er war unglücklich, und das hatte er weiß Gott nicht verdient.
»Irgendetwas stimmt nicht, und du musst mir sagen, was.« Er ließ nicht locker.
»Hör auf, mich festzuhalten, Owen. So kann ich schon gar nicht reden.«
Vorsichtig lockerte er seinen Griff, und sie setzte sich auf. Vergrub das Gesicht zwischen den Händen und schüttelte den Kopf.
»Ist es die Pizzeria?« Etwas anderes fiel ihm einfach nicht ein. »Hast du einen finanziellen Engpass?«
»Nein. Nein. Der Laden läuft gut.« Sie stand auf und legte Jacke, Schal und Mütze ab. »Du weißt doch, dass meine Grandma mir ein Konto eingerichtet hat, nachdem meine Mutter abgehauen ist. Sie hatte ja nur noch mich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Teil des Geldes ist für das Vesta draufgegangen, und der Rest reicht für die Einrichtung des neuen Restaurants. Ich muss nur dafür sorgen, dass die Läden laufen, weiter nichts.«
»Ist deine Großmutter krank?«
»Nein. Wieso fragst du? Ihr geht es gut. Und du hast auch nichts vermasselt – so viel zu deiner Beruhigung.«
»Und was ist es dann?«
»Meine Mutter ist plötzlich bei mir aufgetaucht.«
»Deine Mutter? Wann?«
»Sie saß wartend auf der Treppe, als ich vom Shoppen mit Clare und Hope zurückkam. Es ist nicht wirklich gut gelaufen.« Sie setzte sich neben ihn aufs Bett und verschränkte die Hände fest in ihrem Schoß. »Ich hab sie nicht mal erkannt. Bis sie es mir sagte, hielt ich sie für eine Fremde.«
»Ist doch kein Wunder nach so vielen Jahren.«
»Ich weiß nicht, vielleicht hatte ich ihr Bild auch einfach verdrängt. Denn später merkte ich, dass sie kaum verändert aussah. Angeblich wollte sie mich sehen und beteuerte, wie leid es ihr täte, dass sie damals wegging. Aber ich mochte davon nichts hören. Ebenso wenig hat ihr Weinen mich berührt.«
»Weshalb hätte es auch?«
»Nun, sie erzählte mir ihre Geschichte, damit ich sie ein klein wenig verstehe. Sie habe damals eigentlich nur geheiratet, weil sie schwanger war. Allerdings behauptete sie, in meinen Dad anfänglich verliebt gewesen zu sein. Sie sei jedoch zu jung gewesen, neunzehn erst, und das Ganze sei ihr irgendwann über den Kopf gewachsen. Mein Dad, obwohl nur zwei Jahre älter, wurde trotzdem mit der Situation fertig. Mit seiner Rolle als Ehemann und Vater.«
»Willy B. war immer schon ein Teufelskerl«, bestätigte Owen und strich tröstend mit der Hand über ihr Bein.
»Ja, stimmt. So etwas ist vielleicht wirklich nicht jedem gegeben.« Sie hasste es zu weinen und wischte ärgerlich die
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