Lilientraeume
herrschte. Ihr Werk. Als junge Frau hatte sie den Sprung gewagt und ein eigenes Restaurant eröffnet. Wohl errichteten die Montgomerys die Hülle, nahmen den Umbau vor, weil ihnen das Haus gehörte, doch die Seele des Ganzen war Avery, die mit Hingabe ein gut gehendes Restaurant aus dem Unternehmen machte. Und einen solchen Schritt erneut wagen wollte.
Sie war zäh, intelligent und scheute harte Arbeit nicht. Und sie konnte sich zur Wehr setzen. Was sie schon bewies, nachdem ihre Mutter sie verlassen hatte und manche Kinder sie damit aufzogen. Allerdings war es nicht leicht für sie gewesen, und einmal fand er sie weinend in den Armen seiner Mutter, zog sich jedoch sogleich lautlos zurück, bevor sie ihn sehen konnte. Als er ihr kurz danach begegnete, hatte sie sich wieder vollkommen in der Gewalt.
So war es fast immer bei ihr.
Dennoch hatte Willy recht. Sie war verletzlich, und er musste behutsam mit ihr umgehen.
Da waren andere Freunde gewesen. Was war er? Der Neue an ihrer Seite? Bisher hatte er noch nicht wirklich darüber nachgedacht. Außer dass er behauptete, der erste Mann in ihrem Leben gewesen zu sein. Aber ein echtes Date hatten sie noch nie. Er sollte sie wirklich mal ins Kino, zum Konzert oder zum Essen einladen. Oder ihr zumindest Blumen mitbringen.
Na gut, er hatte ihr etwas geschenkt, und damit ließ sich punkten. Falls er ernstlich Punkte bei ihr sammeln wollte, musste er sich eindeutig mehr Mühe geben, damit es wie eine richtige Beziehung aussah.
Bisher hatte er sich so gut wie gar nicht angestrengt, räumte er widerstrebend ein. Was eindeutig ein Riesenfehler war. Zeit für einen Neuanfang, sagte er sich, machte auf dem Absatz kehrt, um sie zu suchen.
Als er ins Zimmer zurückkehrte, stand auf dem Tisch eine Flasche Bier.
»Wie zum Teufel hast du das angestellt?« Obwohl es ihm eisig den Rücken hinunterlief, griff er nach der Flasche und hob sie an seinen Mund. »Ich kann mich nicht entscheiden, ob das unheimlich oder ganz einfach praktisch ist. Trotzdem vielen Dank.«
Er trank den nächsten Schluck. »Und jetzt steh ich hier, frier mir den Hintern ab, trink ein von einem Geist serviertes Bier und sprech mit mir selbst.«
Kopfschüttelnd verließ er den Raum, um sich zu den Partygästen zu gesellen.
Avery machte sich mal wieder nützlich. Sie stand in der Lounge und schenkte den Gästen lächelnd Champagner nach.
»Wo ist deiner?«, fragte er.
»Da bist du ja. Mein was?«
»Dein Champagner.«
»Oh, ich hab mein Glas in der Küche vergessen.«
»Du sollst doch nicht arbeiten.« Er nahm ihre Hand, zog sie zu den leeren Gläsern und schenkte ihr ein. »Ich möchte, dass du dich amüsierst.«
»Das tu ich auf jeden Fall. Warum sind deine Hände eiskalt?«
»Ich war kurz draußen. Lass uns irgendwo ein Plätzchen suchen, wo wir sitzen können. Schließlich stehst du oft genug.«
»Du musst dich unter eure Gäste mischen.«
»Das hab ich die ganze Zeit gemacht und Leute durchs Haus geführt. Jetzt will ich irgendwo gemütlich mit dir zusammensitzen.« Er neigte seinen Kopf und presste seine Lippen sanft auf ihren Mund.
Sie blickte blinzelnd zu ihm auf. Zwar wussten die meisten von ihrer veränderten Beziehung, aber er hatte sie nie zuvor auf diese Art in der Öffentlichkeit geküsst.
Okay, an Silvester. Doch das zählte nicht. Schließlich küsste an diesem Tag wirklich jeder jeden. Das hier war etwas anderes, und sie konnte die neugierigen Blicke der anderen Leute richtiggehend spüren.
»Geht’s dir gut?«
»Es geht mir sogar wunderbar.« Er legte einen Arm um ihre Schultern und schob sie aus der Lounge Richtung Treppe. »Und dir?«
»Mir geht es super. Lass mich nur schnell schauen, ob …«
»Avery, lass es gut sein. Es ist von allem reichlich da, und die Leute amüsieren sich auch ohne uns. Also entspann dich, ja?«
»Ich kann mich auf Partys nur entspannen, wenn ich irgendwie beschäftigt bin. Mich juckt’s einfach in den Händen.«
»Dann kratz dich, und es geht vorbei.«
»Hallo, Owen.«
Charlie Reeder, alter Freund und Polizeichef der Stadt, kam auf die beiden zu. »Ich könnte kurz deine Hilfe brauchen.«
»Was ist los?«
»Dein Cousin Spence möchte nach Hause und will noch fahren, obwohl er reichlich getankt hat. Ich hab versucht, ihm seine Autoschlüssel abzunehmen, doch er setzt sich heftig zur Wehr. Entweder muss ich ihn mit aufs Revier nehmen, oder du überredest ihn, den Wagen stehen zu lassen.«
Owen warf Avery einen bedauernden Blick zu und folgte
Weitere Kostenlose Bücher