Lilienzucht (German Edition)
deswegen sonderlich verlegen gewesen wärst. Ich finde, das ist schon eine bewundernswerte Haltung.“
„Na ja“, gibt Josie verlegen zurück, „meine Mum hat mir schon früh beigebracht, dass an Nacktheit nichts ist, dessen man sich schämen müsste. – Und da die Gegebenheiten nun mal nicht zu ändern waren, hab ich halt versucht, so gut wie möglich darüber hinweg zu gehen. – Peinlich war mir ohnehin mehr, dass ich diesem Kerl so leicht in die Falle gegangen bin.“
„Hm, ich verstehe.“, sagt Victor nachdenklich. „Aber das erklärt noch nicht, warum du nicht schon vorher in Panik verfallen bist. Normalerweise reagieren Menschen in ausweglosen Situationen eher kopflos und unkontrolliert. Aber du hast ziemlich vernünftig gehandelt ... soweit das möglich war.“
Josies Wangen sind noch immer mehr als rosig. „Nun...“, beginnt sie stockend und nach Worten suchend. „Ich glaube, um diese Frage zu beantworten, muss ich ein bisschen ausholen...“ Leise seufzend atmet sie durch. „Ich habe da eine ... eine Art Spleen, eigentlich schon so lange ich denken kann... Es ist so eine Art ‚dunkle Seite’...“
Victors Interesse ist geweckt, gespannt blickt er sie an, sagt jedoch nichts.
Noch ein Mal seufzt Josie tief und die Farbe ihres Gesichtes wird auch ein wenig tiefer. „Wenn ich gefesselt oder anderweitig fixiert bin“, fährt sie leise fort, „empfinde ich das nicht als Gefangenschaft. Für mich fühlt es sich eher wie eine feste Umarmung ... oder ein zusätzlicher Halt an. Eigentlich genieße ich es zu sehr, als dass da Panik aufkommen könnte.“
Unsicher sieht sie in Victors unergründlich dunkle Augen und versucht vergeblich, darin zu lesen.
„Was übrigens nicht heißt, dass ich mir über den Ernst meiner Lage nicht im Klaren gewesen wäre.“, ergänzt sie schließlich rau. „Aber da ich mich ohnehin nicht groß bewegen konnte, musste ich auf eine bessere Gelegenheit warten ... und bis dahin möglichst unbeschadet bleiben. Und dazu wiederum musste ich mich sehr konzentrieren, ... was die Angst sicher noch weiter reduziert hat.“ Verschämt senkt sie den Kopf.
Langsam breitet sich ein Lächeln auf Victors Gesicht aus und als Josie den Blick unsicher wieder hebt, sieht sie Überraschung, eine unerklärliche Herzlichkeit und ... Erleichterung in seinem Blick. Verwundert starrt sie ihn einen langen Moment an, froh, dass er nicht mit Ablehnung oder gar Abscheu reagiert hat.
„Bitte, versprich mir, dass das unter uns bleibt!“, sagt sie leise, immer noch hochrot im Gesicht. „Vor allem mein Bruder würde im Sechseck springen, wenn er erfahren würde, dass ich dir so was erzählt habe.“
Victor legt die Stirn in Falten. „Hat er etwa Angst um seinen Ruf?“
„Nein. Nein.“, antwortet Josie lachend. „Mal abgesehen davon, dass er davon gar nicht weiß; wenn’s hoch kommt, hat er eine diffuse Ahnung, mehr aber auch nicht. Er wäre wohl eher um meinen Ruf besorgt. Er meint, dass ich es ohnehin schon schwer genug hätte, weil ich aus der zweiten Ehe meines Vaters mit einer Bürgerlichen stamme“, und leise fügt sie hinzu, „und obendrein durch eine schwere Erkrankung als Kind keine eigenen Kinder kriegen kann. Was mich wiederum in den Augen meiner Großmutter geradezu zu einem kompletten Fehlschlag als Lady macht.“
„Ich verstehe.“, sagt Victor leise. „Etwas anderes hätte ich dem Guten auch kaum verziehen.“
Josie seufzt tief und atmet dann ebenso tief ein.
Leise lachend meint sie: „Aber frag mich jetzt bitte nicht, warum ich dir das alles überhaupt erzähle. Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung.“
8 Ein Kuss mit Folgen
Auch eine Stunde später, als die Beiden auf einen Absacker in der Bibliothek zusammensitzen, erzählt Josie noch Dinge, von denen sie nicht genau weiß, ob sie sie nicht doch besser für sich behalten sollte. In der letzten halben Stunde haben sie beispielsweise ebenso angeregt wie heiter darüber spekuliert, woher Josies Faszination für Fesselungen rührt, freilich ohne zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen. Josie genießt es jedoch außerordentlich, endlich jemand gefunden zu haben, mit dem sie solche Gespräche wirklich unverkrampft führen kann und Victor scheint es ganz ähnlich zu gehen.
Nachdenklich betrachtet Josie gerade ihr fast leeres Glas und stellt es, nach einem seufzenden Seitenblick auf Victors nahezu noch volles, auf dem Tisch ab.
„Der Champagner ist viel zu gut.“, stellt sie schulterzuckend fest. „Ich
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