Lilienzucht (German Edition)
mein Lieber. Deine Schwester ist zwar ein sensibles Persönchen, vielleicht auch manchmal ein bisschen zu gutgläubig, aber sie ist viel stärker als du denkst. Du solltest dich lieber um deine Frau kümmern; ich finde, sie sieht weit angegriffener aus als Josie. Die letzten Schwangerschaftsmonate machen ihr ganz schön zu schaffen, nicht?“
„Allerdings.“, stimmt Justin mit einem tiefen Seufzen zu.
„Und wenn die Zwillinge erstmal auf der Welt sind, wird es vermutlich nicht besser.“, fügt Victor nachdenklich hinzu. „Wenn es dir hilft, könnte ich mich ein bisschen um deine kleine Schwester kümmern. Es würde mir wirklich Spaß machen, ab und an etwas mit ihr zu unternehmen, damit sie nicht allein unterwegs ist. Es würde mir auch nichts ausmachen, bei ihr ab und zu nach dem Rechten zu sehen, wenn sie unter der Woche allein in deiner Stadtwohnung ist.“
Justins Blick hat sich sichtlich aufgehellt. „Es wäre wirklich und wahrhaftig eine große Beruhigung für mich, wenn du das tun könntest. Ich kann sie ja schließlich nicht zwingen, ihren Job aufzugeben und wieder in ihr Elternhaus zu ziehen; sie ist ja keine 17 mehr...“
„Das stimmt.“, findet Victor. „Dann machen wir es also so. – Ach und sag mir Bescheid, wenn ihr mal am Wochenende ausgeflogen seid und sie hier allein wäre; dann komme ich entweder raus oder ich hole sie zu mir.“
„Das hört sich jetzt ein bisschen sehr nach Babysitten an.“, findet Justin und lacht leise.
„Kaum“, widerspricht Victor grinsend, „Josie ist 34 und eine ausgesprochen angenehme und anregende Gesellschaft. Außerdem hat mein erstes Hausmädchen sie die letzten Tage schon so sehr ins Herz geschlossen, dass sie schlichtweg beleidigt wäre, wenn sie nicht wenigstens ab und zu zu Besuch käme.“
Die Männer brechen in vergnügtes Gelächter aus.
„Gut, dann lass uns runter gehen.“, schlägt Justin vor. „Du bleibst doch zum Tee?“
„Natürlich.“, gibt Victor mit einem breiten Grinsen zurück.
24 Stunden später sitzt Josie allein in ihrem Zimmer und packt das Handy aus, das vor ein paar Minuten ein junger, überaus freundlicher Bote abgeliefert hat. Neugierig entfernt sie das Verpackungsmaterial und stößt als Erstes auf einen verschlossenen Umschlag, mit ihrem Namen ... wenn sie das richtig beurteilt, in Victor Croydons Handschrift geschrieben. Lächelnd öffnet sie das Kuvert und entnimmt ihm eine geschmackvolle Klappkarte, auf deren Vorderseite eine wunderschöne Aquarellmalerei mit rosa Lilien zu sehen ist. Josies Herzschlag beschleunigt sich unwillkürlich, als sie die Karte nach eingehender Betrachtung schließlich aufklappt.
Meine liebe Josie
Anbei das angekündigte Telefon für Dich. Ich war so frei, es bereits so weit vorzubereiten, dass Du nur noch die PIN-Nummer eingeben musst, um es in Betrieb zu nehmen. Ich hoffe, es gefällt Dir.
Vielleicht machst Du Dich schon ein bisschen mit den Funktionen des Geräts vertraut, bis ich mir die Zeit für einen ausführlichen Anruf nehmen kann; die Bedienungsanleitung liegt ganz unten im Karton. Ich freue mich jedenfalls schon auf unser Gespräch.
Bis dann
Victor.
Als Josie die Karte gelesen hat und sie in ihren Schoß sinken lässt, schlägt ihr Herz keinen Deut langsamer, sondern sogar noch ein wenig kräftiger und lauter.
Einen Moment lang überlegt sie angestrengt, dann kommt sie zu dem Schluss, dass der Inhalt der Karte unverfänglich genug ist, um sie offen auf ihren Nachttisch zu stellen. Beinahe schon liebevoll legt sie sie beiseite, um sie später genau dort zu deponieren. Doch vorerst packt sie weiter aus.
„Wow! Wie schön!“, entfährt es ihr überrascht, als sie die Schutzfolien des Gerätes entfernt.
„Wie hat er so schnell...?“, murmelt sie verblüfft. „Das muss eine Sonderanfertigung sein.“
Bewundernd, ja fast ehrfürchtig, dreht sie das dunkelrote Telefon zwischen den Händen, um das filigrane, goldglänzende Muster, das große Teile des Handys überzieht, aus allen Blickwinkeln zu betrachten, bis sie plötzlich etwas entdeckt. Zwischen den goldenen Ornamenten stehen - ein bisschen versteckt, weil sie genauso verschnörkelt aussehen - ihre Initialen.
Josie wird unwillkürlich ein wenig rot.
Vorsichtig legt sie dann das Handy zur Seite, um die Unterlagen zu durchforsten, wie sie das hübsche Objekt telefonierbereit bekommt; immerhin hat sie bisher nur sehr bruchstückhafte Erfahrungen mit diesen Dingern.
Eine Viertelstunde später ist das
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