Lilienzucht (German Edition)
letzte Kollege auf den Weg in die Kantine.
„Kommst du nicht mit?“, fragt der Buchhalter erstaunt, als er am Empfang vorbei kommt, wo Josie immer noch eifrig ihre Finger über die Tastatur flitzen lässt.
Josie blickt mit einem möglichst müden Lächeln auf und hofft, dass Carl Sanders keinen Verdacht schöpft. „Nein, sieht nicht so aus, Carl.“, seufzt sie. „Es ist einfach zu viel liegen geblieben während meiner Abwesenheit. Ich denke, ich lasse mir nachher etwas liefern, das ich nebenher beim Tippen essen kann.“
„Wie du meinst.“, antwortet Carl schulterzuckend. „Ich kann dir auch was mitbringen, wenn du möchtest.“, fügt er freundlich hinzu.
„Nein, Danke, ich hab noch gar keinen Hunger, eigentlich bin im Moment sowieso nur damit beschäftigt, wie ich das Chaos hier so schnell wie möglich hinter mich bringen kann.“, meint sie lächelnd. „Aber danke für das Angebot.“
„Keine Ursache. Bis später dann.“
„Ja, bis später ... und guten Appetit.“
Er ist kaum zur Tür hinaus, da lässt Josie tief einatmend von der Tastatur ab. Pflichtbewusst, wie sie ist, speichert sie jedoch zunächst ihren Text ab und meldet sich ordnungsgemäß von ihrem Terminal ab. Dann greift sie nach ihrem Handy und huscht in Richtung Besuchertoiletten, die um diese Uhrzeit der einsamste Platz auf der Welt – oder zumindest in dieser Geschäftsstelle - sein sollten.
Vorsichtshalber kontrolliert Josie trotzdem alle Kabinen, bevor sie schließlich ihr Telefon auf dem Waschtisch vor dem Spiegel ablegt und dann ihre Hose auszieht. Vorsichtig tropft sie mit der Fingerspitze ihres Zeigefingers einen kleinen, runden Wasserfleck auf eines der Hosenbeine, um so im Notfall die Entfernung eines Flecks vortäuschen zu können, falls wider Erwarten doch jemand um diese Zeit auf der Toilette auftauchen sollte. Ein paar Mal noch atmet sie tief durch, dann positioniert sie sich neben dem Waschbecken, wo der Spiegel glücklicherweise von der Decke bis zum Boden reicht. Seufzend versucht sie, ihre Beine möglichst gut ins Bild zu setzen, aber wie schon in der letzten Woche, fällt es ihr schwer, die richtige Pose zu finden, bei der das Ganze nicht dilettantisch oder gar lächerlich aussieht. Zudem ist es schwieriger als erwartet, allein die Beine ins Bild zu bekommen. Stirnrunzelnd versucht sie sich zu erinnern, wie Fotografen Modelbeine für Strumpfmoden in Szene setzen, aber ihr kommt einfach kein Bild dazu in den Sinn und so verbringt sie etliche Minuten damit, es mit den verschiedensten Verrenkungen zu probieren, zumal sie in manchen Stellungen auch noch Probleme mit dem Licht hat.
Schließlich hat sie eine Idee. Kurz entschlossen öffnet sie den Abstellraum, in dem die Putzmittel stehen und nimmt einen Eimer heraus. Den stellt sie umgedreht auf den Boden und stellt einen ihrer Füße darauf ab, um nun eben jenes Bein allein zu fotografieren. Es ist nicht einfach, aber einige Verrenkungen und Schweißtropfen später hat sie endlich eine einigermaßen zufrieden stellende Aufnahme im Kasten.
Erleichtert atmet sie auf, zieht sich rasch wieder an, räumt den Eimer zurück und schickt dann das Bild an Victor.
„So, das war’s.“, murmelt sie zufrieden, als sie endlich wieder an ihrem Computer sitzt. Warm ist ihr geworden und ihr Atem geht immer noch ein bisschen schnell, als sie ihre Arbeit endlich wieder aufnimmt, allerdings umspielt nun ein leises Lächeln ihre Mundwinkel.
Ein feines Glöckchen kündigt andernorts das Ankommen einer Handynachricht an. Grinsend stellt Victor seine Teetasse ab und nimmt das Telefon vom Tisch, um neugierig die MMS zu öffnen.
Sein Grinsen wird unwillkürlich breiter.
Jeffrey hinter ihm erhascht einen kurzen Blick auf das Bild. „Oh, hübsche Beine!“, meint er anerkennend. „Lady Josephine?“
„Allerdings.“, gibt Victor gut gelaunt zurück und seufzt lang gezogen. Es ist ein zufriedenes Seufzen.
„Was ist?“, hakt Jeffrey amüsiert nach.
„Ich weiß nicht genau...“, antwortet Victor nachdenklich lächelnd. „Es ist sehr süß, dass sie diese Spiele so ernst nimmt.“ Er überlegt kurz und schüttelt dann den Kopf. „Nein. Ich drücke es lieber so aus: ...dass sie immer mit ganzem Herzen bei der Sache ist, wenn wir spielen.“
Jeffrey hebt eine Augenbraue und sieht seinen Dienstherrn nur fragend an.
„Sie hat wieder länger für die Fotos gebraucht, als ich gedacht hatte.“, erklärt der Earl darauf lächelnd. „Wenn ich mir das Ergebnis so ansehe, lag
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