Lilienzucht (German Edition)
kurzärmeligem, türkisfarbenen, Kaschmirpulli und den hohen, dunkelblauen Riemchensandalen, die Victor ihr am Montag geschickt hatte, vor dem Spiegel im Flur steht, kommen ihr doch leise Zweifel.
So ganz ohne Unterwäsche fühlt sie sich seltsam schutzlos und zugleich ungewohnt frei, doch macht ihr dieser Umstand, genau genommen, weniger zu schaffen, als vielmehr die Tatsache, dass sie ihr Outfit fürs Büro eigentlich ein wenig zu leger findet. Bisher hat sie immer auf ein sachliches, offiziell wirkendes Auftreten geachtet, weil sie schließlich die Erste ist, die Besucher bei einem Termin zu Gesicht bekommen und die damit quasi die Visitenkarte für die Jugendhilfe-Organisation darstellt.
„Hoffentlich hat Mister Steward nichts daran auszusetzen.“, murmelt sie skeptisch.
Auf der anderen Seite hat sie ja schließlich nicht vor, ihre Arbeit in irgendeiner Form zu vernachlässigen ... auch wenn sich das weiche Kaschmir auf der nackten Haut zugegebenermaßen verboten sexy anfühlt...
„Ach was!“, schiebt sie den Gedanken und die plötzlich wieder aufkeimende Sinnlichkeit rigoros beiseite. „Wenn es ihm nicht passt, kann er das sagen und dann wird das eben ein Einzelfall bleiben.“, beschwichtigt sie sich selbst und lächelt ihrem Spiegelbild aufmunternd entgegen. „Außerdem kann ich ja notfalls den Blazer bei der Arbeit anbehalten.“
Entschlossen holt sie das beigefarbene Sommerjackett vom Garderobenhaken, zieht es über und dankt Victor lächelnd in Gedanken, dass er an die Jacke gedacht hat, denn seit gestern Abend sind die Temperaturen draußen deutlich gesunken, wie sie feststellen musste, als sie morgens am offenen Fenster gestanden hat.
Nervös zupft sie an dem kurzen, eigentlich nur angedeuteten Rollkragen des Pullovers herum und schaut seufzend zum zigsten Mal in den letzten Minuten auf die Uhr, die sie auf der Garderobe abgelegt hat.
„Ja“, sagt sie leicht deprimiert zu sich selbst, „mein Leben war vorher geradezu sterbens langweilig!“ Vergeblich versucht sie, ihre Aufregung abzuschütteln und nimmt sich fest vor, Victor danach zu fragen, ob seine Anweisungen Schmuck und Armbanduhr mit eingeschlossen haben, ...auch wenn sie schon ahnt, dass sie daran mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr denken wird, sobald sie ihm gegenüber stehen wird.
Zwei endlos erscheinende Minuten später klingelt es endlich an der Tür. Josie macht gar nicht erst den Versuch, noch einmal durchzuatmen, ihr Herz schlägt ihr ohnehin hoffnungslos hartnäckig bis zum Hals. Eilig öffnet sie die Tür und findet sich unerwartet Jeffrey gegenüber.
„Guten Morgen, Mylady.“, grüßt er freundlich lächelnd, den Hut elegant in der Hand haltend. „Sind Sie soweit? Lord Croydon wartet unten im Wagen.“
„Ja, natürlich, Jeffrey. Ihnen auch einen guten Morgen.“, antwortet Josie. „Einen Augenblick, ich hole nur noch meine Handtasche und den Schlüssel.“ Rasch greift sie nach dem Genannten und folgt dem Chauffeur kurz darauf durchs Treppenhaus nach unten.
„Vielen Dank, Jeffrey.“, sagt Josie, als ihr der Chauffeur die Tür zu der mehr als geräumigen Limousine aufhält.
„Keine Ursache, Mylady.“, gibt Jeffrey mit einem freundlichen Lächeln zurück und schließt gleich darauf die Tür hinter ihr.
Josie wirft dem bereits wartenden Victor einen nur flüchtigen Blick zu und muss unwillkürlich schlucken. „Guten Morgen, Mylord.“, sagt sie unsicher.
„Guten Morgen, Kleines.“, gibt er kühl zurück. Seiner Stimme ist nicht die kleinste emotionale Regung anzumerken und auch sein Gesicht offenbart nicht das Geringste von dem, was gerade in ihm vorgeht.
Josie fröstelt leicht.
„Lass uns keine Zeit verlieren, Kleines“, fährt er ungerührt fort, „zieh dich aus und knie dich dann vor mich hin.“
Mit leicht zitternden Fingern tut Josie, wie ihr geheißen.
„Wie war deine Nacht?“, erkundigt sich Victor freundlich, doch seiner Stimme fehlt heute die warme Note, die sie sonst auszeichnet. Josie ist irritiert.
Verunsichert macht als sie einfach weiter, während sie antwortet. „Unruhig, Mylord.“
„So so.“, macht Victor, enthält sich jedoch jedes weiteren Kommentars, ja, er verzieht nicht einmal ansatzweise seine Miene.
Josie ist fertig mit dem Entkleiden und versucht, sich im bereits fahrenden Auto hinzuknien, wobei sie beinahe das Gleichgewicht verliert. Victor jedoch hat blitzschnell ihren Oberarm ergriffen und verhindert damit den drohenden Fall.
„Sachte, Kleines!“,
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