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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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schimmerte.

    Mildred betrachtete sie mit wehmütiger Miene. »Ist sie nicht schön? Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, dass ich die Uniform der St.-Nephelius-Schule getragen habe.« Sie drückte Lilith eine Tüte in die Hand. »Ich habe dir ein Lunchpaket gemacht, zum Frühstücken hast du leider keine Zeit mehr. Radle einfach zurück Richtung Devilstreet, die Schule liegt direkt am Marktplatz.«
    Lilith schwang sich mit einem Seufzer auf das mit Rostflecken übersähte Rad und wartete einen Moment ab, ob es nicht umgehend unter ihrem Gewicht zusammenbrach. Mit diesem Gefährt würde sie bei ihren neuen Mitschülern bestimmt Aufsehen erregen, allerdings nicht im positiven Sinne.
    Doch Lilith hatte sich unnötig Sorgen gemacht, denn als sie zehn Minuten später völlig außer Atem vor dem Schulhaus ankam, war weit und breit kein Schüler mehr zu sehen.
    »Ach du Schreck!«, entfuhr es Lilith. Schulhäuser wirkten ja in der Regel selten einladend, doch dieses hier schien Kinder geradezu in die Flucht schlagen zu wollen. Es war ein uraltes dunkelbraunes Fachwerkgebäude mit kleinen Fenstern, die wie Schießscharten wirkten. Das düstere Eingangsportal klaffte in der Mitte hervor wie ein geöffnetes Maul.
    Lilith stellte ihr Rad bei den anderen in einem überdachten Schuppen ab und blieb einen Moment unschlüssig stehen. Sie hatte kein Fahrradschloss. Aber wer sollte das alte, hässliche Ding schon stehlen? So viel Glück hatte sie bestimmt nicht.
    »Da bist du ja endlich!«
    Lilith sah überrascht auf. Matt kam quer über den Schulhof auf sie zugerannt.

    »Du – du hast auf mich gewartet?«
    Sie musste feststellen, dass Matt im Gegensatz zu ihr die Schuluniform ausgesprochen gut stand und das dunkle Hemd seine Augen fast schwarz wirken ließ.
    »Ich habe dich vom Zimmer der Direktorin aus kommen sehen. Beeil dich!« Matt packte sie am Ellenbogen und zog sie mit sich. »Miss Tinkelton wartet schon. Sie will uns in unsere neue Klasse bringen.«
    »Meine Güte, hast du es aber eilig.« Sie stolperte hinter Matt her.
    »Warte ab, bis du Miss Tinkelton kennenlernst. Sie ist ein bösartiger Drache und sieht aus, als ob sie am liebsten Kinder zum Frühstück isst.«
    »Ach komm, so schlimm wird es schon nicht sein!«
    Doch leider hatte Matt die Wahrheit gesagt. Als Lilith vor der Direktorin stand, fand sie, dass er eigentlich noch untertrieben hatte. Sie überragte Lilith um mehrere Haupteslängen, sah in ihrem schwarzen Kostüm jedoch so verhärmt aus, als hätte sie seit Jahren nichts mehr gegessen. Alles an ihr schien spitz hervorzustehen – ihre Nase, ihr Kinn, die Schultern und insbesondere die knochigen Finger. Das Schlimmste jedoch waren ihre Augen. Das Weiß um ihre Pupillen war blutunterlaufen und Lilith hatte das Gefühl, vor einer riesigen Spinne zu stehen, die ihre rot glühenden Augen auf ihr neues Opfer gerichtet hatte. Nur mühsam bekam Lilith eine Entschuldigung für ihre Verspätung heraus.

    »Wir dulden hier kein Zuspätkommen, Lilith«, bellte Miss Tinkelton. »Auch nicht an deinem ersten Schultag! Ich werde mit deinem Klassenlehrer eine Strafmaßnahme absprechen.«
    Das fand Lilith alles andere als fair. Nur mühsam schluckte sie die Beschwerde, die ihr auf der Zunge lag, hinunter.
    »Folgt mir, ich führe euch zu den Klassenräumen!« Sie wandte sich ruckartig von den Kindern ab und eilte im Sturmschritt davon.
    Sie verließen die Eingangshalle und durchschritten einen Torbogen, über dem in Großbuchstaben die Worte prangten:
    »WISSEN IST MACHT UND ICH SAGE EUCH:
IHR WISST NICHTS!«
    Der Verfasser dieser Aussage war ebenfalls angegeben – sie stammte von Baron Nephelius.
    »Wie nett«, murmelte Lilith in sarkastischem Ton.
    Miss Tinkelton blieb stehen. »Gibt es etwas, das du mir mitteilen willst, Lilith?«, fragte sie mit schneidender Stimme. Ihre Augen funkelten Lilith drohend an. »Missfällt dir etwa die Aussage unseres Schulgründers?«
    Lilith war sich bewusst, dass es besser wäre, Miss Tinkeltons Frage zu verneinen und weiter brav hinter ihr herzulaufen. Andererseits hatte die Direktorin sie nach ihrer Meinung gefragt. Lilith sah zu Matt, der hinter Miss Tinkelton stand und Lilith gestikulierend zu verstehen gab, dass sie bloß die Klappe halten sollte.
    »Nun?«, hakte Miss Tinkelton nach.

    Lilith erwiderte ihren Blick. »Ich finde diese Aussage ehrlich gesagt etwas anmaßend. Dieser Baron schien eine ziemlich hohe Meinung von sich selbst zu haben, wenn er sich aus der Masse der

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