Lilith Parker: Insel Der Schatten
du ein würdiger Gegner?«
Lilith wusste nicht, was sie auf diese Frage antworten sollte.
»Bist du ein würdiger Gegner, Lilith?«, donnerte er.
»Ich … ich weiß es nicht.«
Ein Ausdruck von Missfallen zeichnete sich in seinen kantigen Gesichtszügen ab. »Das ist schade, Lilith.«
Er seufzte. »Aber vielleicht steckt ja mehr in dir, als es auf den ersten Blick den Anschein macht.«
Er wandte sich den anderen am Tisch zu.
»Wie wäre es mit einem Pokerspiel?«, fragte er. »Ich spiele jedoch nur um sehr hohe Einsätze!« Nekrobas lachte leise.
Arthur sah auf. Sein Blick wirkte leer. »Ja, das wäre schön.« Er erhob sich und verließ mit steifen Bewegungen den Raum.
»Tut mir leid, ich möchte wirklich nicht mit euch spielen«, beharrte Lilith. Sie wollte keinen Moment länger in der Nähe dieses Mannes bleiben. »Ich gehe in mein Zimmer. Ich muss noch etwas für die Schule machen.«
»Das ist schade.« Er sah sie unverwandt an. »Aber ich bin mir sicher, wir begegnen uns wieder. Dann werden wir unser Spiel nachholen.«
Lilith schluckte schwer. Seine Worte klangen wie eine Drohung – Nekrobas wollte sie wissen lassen, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, hielt sie atemlos inne.
Sie fühlte sich, als wäre sie gerade aus einem Albtraum erwacht. Ihr Herz raste und sie war schweißgebadet.
Noch nie war Lilith jemandem begegnet, der solche Abscheu und Angst in ihr hervorgerufen hatte. Sie fragte sich, warum um alles in der Welt die anderen diesem Mann so zugetan waren. Spürten sie denn nicht die Gefahr, die von ihm ausging? Sie schienen im wahrsten Sinne des Wortes wie verzaubert von ihm zu sein. Lilith und Hannibal waren anscheinend die Einzigen, die noch bei klarem Verstand waren. Sie hoffte inständig, dass sie diesem Elia Nekrobas nie wieder begegnen musste.
Den ganzen Nachmittag über blieb Lilith in ihrem Zimmer. Sie saß an ihrem Schreibtisch und versuchte, in einem der Bücher zu lesen, das sie sich aus dem Regal ihres Vaters genommen hatte. Allerdings war es nicht sonderlich spannend – es handelte von einem Jungen, der einem jungen Prinzen zeigen wollte, wie es ist, ein richtiger Raufbold zu sein – und so ertappte sich Lilith immer wieder dabei, wie sie an dem Buch vorbeiblickte und Löcher in die Luft starrte. Sie fühlte sich in ihrem Zimmer wie eine Gefangene, isoliert vom Rest der Welt. Aber so beklemmend dieses Gefühl auch war, so wollte sie doch keinesfalls zurück in die Küche gehen. Seit ihrer Begegnung mit Nekrobas hatte sich eine seltsame Leere in ihr ausgebreitet. Noch immer spürte sie seine unheilvollen schwarzen Augen auf sich, die versucht hatten, einen Blick in ihre Seele zu werfen. Als hätte er nach Schwachstellen gesucht, nach Wunden, die noch nicht verheilt waren oder nie verheilen werden. Als ob Nekrobas sie zu den Erinnerungen hatte führen wollen, die sie schmerzten.
»Wenn jetzt wenigstens Matt hier wäre oder Mildred nach mir sehen würde«, seufzte sie. »Dann würde ich mich nicht ganz so alleine fühlen.«
Lilith zuckte zusammen. Himmel, jetzt führe ich schon Selbstgespräche, schoss es ihr durch den Kopf, so langsam sollte ich mir wirklich Gedanken um meine geistige Gesundheit machen!
Eine Spinne seilte sich neben ihr von der Decke ab und ließ sich elegant auf den Schreibtisch gleiten. Lilith hatte glücklicherweise keine Angst vor Spinnen, sonst hätte sie in der alten Villa sicherlich Probleme bekommen. Hier schienen in jedem dunklen Winkel Generationen von Spinnenfamilien zu hausen. Das fand Lilith zwar nicht gerade angenehm, aber solange die Spinnen sie in Ruhe ließen, konnte sie damit leben. Diese Spinne jedoch krabbelte zielstrebig auf sie zu. Direkt vor Liliths Finger blieb sie stehen und hob neugierig ihre Vorderbeine an. Einen Moment lang war Lilith versucht, das Buch zu nehmen und es auf die Spinne niedersausen zu lassen, aber sie brachte es nicht übers Herz. Irgendetwas hielt sie davon ab.
»Du bist ganz schön frech!«, stellte Lilith fest. »Was hast du eigentlich vor?«
Die Spinne strich mit ihren Vorderbeinen immer wieder über Liliths Finger, bis Lilith schließlich ihre Hand öffnete und der Spinne ihre Handfläche hinstreckte. Als ob die Spinne darauf gewartet hätte, marschierte sie in Liliths Hand, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und ließ sich in ihrer Mitte nieder. Lilith
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