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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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Küchentür und das Klappern von Absätzen. Lilith wandte sich um. Sie war froh, dass Mildred und nicht Nekrobas hinter ihr stand, auch wenn ihre Tante entschlossen die Hände in die Hüften gestemmt hatte.
    »Ich kann verstehen, dass du wegen deines Zimmers aufgeregt bist. Aber Elia war tatsächlich den ganzen Tag nicht im Haus, er kann es nicht gewesen ein«, versuchte sie Lilith zu überzeugen. »Hannibal hat solchen Unfug schon öfter angestellt, glaub mir.«

    Lilith biss sich auf die Lippen und nickte wortlos. Solange sie keine Beweise hatte, war es sinnlos, Mildred vom Gegenteil überzeugen zu wollen.
    »Und vor allen Dingen: Warum sollte Nekrobas das Zimmer einer Zwölfjährigen durchwühlen?«, fuhr Mildred fort. »Deine Sachen mögen für dich natürlich wertvoll sein, aber wohl kaum für einen erwachsenen Mann.« Auch wenn sie Lilith versöhnlich die Hand auf die Schulter legte, war der spöttische Unterton in Mildreds Stimme nicht zu überhören.
    Lilith trat einen Schritt zur Seite, um Mildreds Hand abzuschütteln. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ist ja auch egal, wer es war. Die Sachen sind sowieso schon kaputt.« Sie steckte ihre Hände in die Jackentaschen. »Ich gehe dann mal zu Matt zum Mathelernen.«
    »Das ist aber sehr pflichtbewusst von euch«, lobte Mildred sie mit einem übertriebenen Lächeln. Ihre Erleichterung darüber, dass Lilith das Thema Nekrobas nicht weiter vertiefen wollte, war ihr unverkennbar anzusehen. Nachdem sie vereinbart hatten, dass Mildred sie um sieben Uhr bei den O’Conners mit der Kutsche abholen würde, lief Lilith los.

    Kein Geräusch drang aus dem Wald. Einzig Liliths Schritte auf dem knirschenden Kies waren zu hören. Die kahl gefegten Laubbäume, die sich zu beiden Seiten des Weges erhoben, wirkten nackt und verletzlich. Lilith hatte das Gefühl, dass sie ihre knöchernen Äste flehentlich nach Lilith ausstreckten, als wüssten sie nicht, dass ihr Sterben nur vorübergehend sei und sie im nächsten Frühjahr wieder zum Leben erwachten. Die Trostlosigkeit des Waldes passte zu Liliths Stimmung.
    Im Prinzip hatte Mildred recht gehabt mit ihrer Feststellung, dass eine Zwölfjährige im Grunde nichts besaß, was einen Einbruch wert gewesen wäre. Allerdings wusste ihre Tante nichts von dem Amulett – und Lilith hatte auch nicht vor, ihr davon zu erzählen. Sie konnte das Amulett niemandem zeigen und schon gar nicht durfte sie zulassen, dass es jemand berührte. Der Schaffner auf Liliths Fahrt nach Bonesdale war nicht der Einzige, der beim Anblick des Amuletts seltsam reagiert hatte. Wie jedes Mal, wenn Lilith an ihren Besuch bei dem Londoner Juwelier Jacob de Vries dachte, überlief sie ein Frösteln.
    Nachdem Lilith das Amulett an sich genommen hatte, war sie am folgenden Tag zu dem Juwelier gegangen, in der Hoffnung, durch das außergewöhnliche Schmuckstück etwas über ihre Mutter in Erfahrung bringen zu können.
    Jacob de Vries war ein rundlicher Herr Ende fünfzig mit schlohweißen Haaren, der, obwohl er eigentlich aus den Niederlanden stammte, am liebsten die typisch englischen Tweed-Anzüge trug. Laut ihrem Vater besaß niemand in London mehr Sachverstand als er, wenn es um die Goldschmiedekunst ging. Bei der Echtheitsprüfung historischer Schmuckgegenstände sei De Vries ein wahres Genie, so hatte er Lilith anvertraut, nur als Juwelier und Geschäftsmann sei er leider völlig unfähig.

    Unschlüssig stand Lilith vor De Vries’ Geschäft. Es dämmerte bereits und ein lauer Spätsommerwind wehte von der Themse herauf. Die vergangene Nacht und auch den ganzen Tag über hatte sich Lilith gefragt, ob sie das Risiko tatsächlich eingehen und De Vries das Amulett vorlegen sollte. Immerhin bestand die Gefahr, dass dieser umgehend zum Telefonhörer griff, um ihren Vater anzurufen. Was dann passieren würde, wollte sie sich gar nicht erst ausmalen. Doch Lilith hatte keine andere Wahl. Auch wenn sie nicht hätte erklären können, warum, so sagte ihr eine innere Stimme, dass dieses Amulett eine weit größere Bedeutung für sie hatte, als ihr Vater ahnte.
    Lilith holte noch einmal tief Luft und betrat das Juweliergeschäft. Ein goldenes Glockenspiel verkündete fröhlich ihr Kommen. Der längliche Raum war von dezent beleuchteten Vitrinen eingerahmt, die vom Boden bis zur Decke reichten und in denen kunstvoll gefertigte Halsketten, Ohrringe, Broschen und Armbänder funkelten. Irgendwoher erklang leise klassische Musik und Liliths Schritte wurden von dem schweren

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