Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
es ihre Brust zusammen.
»Ich … ersticke«, keuchte sie panisch.
Endlich schien Vadim zu begreifen, dass er Lilith mit seiner realistischen Einschätzung der Situation zu viel zugemutet hatte und sie jetzt dringend seinen Beistand benötigte.
»Du hyperventilierst, das ist völlig normal in so einer Situation«, sprach er ruhig auf sie ein. »Bilde mit deinen Händen eine Schale, lege sie über Mund und Nase und atme tief hinein.«
Lilith presste ihre zitternden Finger aneinander und versuchte, so gut wie möglich seinen Anweisungen zu folgen. Langsam wurde ihr Atem wieder regelmäßiger und der Druck auf ihrer Brust ließ nach.
»Perfekt«, lobte er sie. »Und jetzt hol dein Amulett hervor!«
Sie zog an der Kette des Amuletts, und sobald es vom Stoff ihres T-Shirts befreit war, erstrahlte der Bernstein vor ihrem Gesicht wie eine kleine Sonne.
»Licht!« Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen. »An das Amulett habe ich überhaupt nicht gedacht.«
Im düsteren Zwielicht konnte sie nun sogar Vadims sorgenvolles Gesicht erkennen. »Entschuldige, ich hätte nicht so hart zu dir sein dürfen! Einem Toten fällt es leichter, diesen potenziell tödlichen Umständen ins Gesicht zu sehen. Bitte verzeih mir, Lilith.«
Er hatte so viel Betonung auf ihren Namen gelegt, dass Lilith unwillkürlich auflachen musste. Sie schniefte und wischte sich über ihre tränennassen Wangen. »Mir tut es auch leid, dass ich Sie so angeschrien habe.«
»Schon vergessen! Übrigens musst du mich nicht siezen, meine ganz persönliche Geisterseherin kann ruhig Du zu mir sagen«, bot er an. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie du entführt wurdest?«
»Nur noch an Bruchstücke«, gestand sie ihm nach kurzem Nachdenken. »Ich weiß noch, dass ich zu mir gekommen bin und zwei Männer über das Blutstein-Amulett gesprochen haben. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen …«
»… mein Sohn Nikolai war«, beendete Vadim für sie den Satz.
»Er war vermummt, als er dich überfallen hat, doch ich habe seine Augen erkannt. Er hat die ganze Zeit über ein falsches Spiel mit uns getrieben.«
Trotz des kaum vorhandenen Lichtes konnte Lilith an Vadims Gesicht ablesen, wie sehr ihn diese Feststellung schmerzte.
»Alles ergibt jetzt einen Sinn. Er ist der Verräter, der Zugang zu den streng vertraulichen Informationen hatte, und vielleicht ist er sogar mein Mörder.«
Vadim fuhr sich in einer erschöpften Geste über das Gesicht.
»Das ist alles meine Schuld. Ich wusste immer, wie sehr es ihn getroffen hat, dass ich André als Thronerben vorgezogen habe. Aber er hat mir leider keine andere Wahl gelassen.«
Lilith runzelte die Stirn. »Mir hat Nikolai erzählt, er wäre froh darüber, da er sich lieber seinen Studien als den Regierungsgeschäften widmet.«
»Das hat er mir gegenüber auch stets behauptet, doch ich hätte es besser wissen müssen. Schon als Nikolai klein war, verhielt er sich nicht wie ein normales Kind, er hatte kaum Freunde, war verschlossen und leicht reizbar. Zu seinem siebten Geburtstag habe ich ihm einen kleinen Kater geschenkt und später musste ich entdecken, wie er ihn für seine Experimente missbrauchte. Er hat das arme Tier fast verhungern lassen und ihm den Schwanz amputiert, weil er wissen wollte, ob sich das auf den Gleichgewichtssinn auswirkt.«
Schockiert schlug sich Lilith die Hand vor den Mund. Was Vadim erzählte, passte ganz und gar nicht zu dem Bild, das sie sich von Nikolai gemacht hatte. Aber immerhin hatte sie nun eine Erklärung dafür, warum Vadim sich ihm gegenüber so ablehnend verhielt.
»Ich war derart entsetzt darüber, dass ich völlig die Fassung verlor und ihn geschlagen habe, was ich heute noch bedauere. Doch das Schlimmste war, dass Nikolai überhaupt nicht zu begreifen schien, warum ich mich so aufregte. In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal klar, dass er kein Gefühl für gut und böse zu haben scheint. Als ich mich später dazu durchgerungen habe, André als meinen Nachfolger einzusetzen, wusste ich, wie sehr Nikolai dies traf, doch ich musste an das Wohl meines Volkes denken.«
Während Vadims Erzählung überlief Lilith ein Schaudern. Sie hatte Nikolai ihr Vertrauen geschenkt und niemals vermutet, dass in ihm ein so herzloses Monster steckte. Mit seiner Intelligenz und der schnellen Auffassungsgabe hatte er anscheinend über die Jahre hinweg gelernt, sein eigentliches Ich vor den anderen versteckt zu halten. Sie erinnerte sich an ihr Gespräch im
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