Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
anders als früher bei Vadim. Es war das züngelnde Rot eines alles verschlingenden Feuers, auch die Runenzeichen und selbst die Speichen glühten wie heißes Eisen.
»Ist das normal?«
André schüttelte stumm den Kopf.
Rebekka starrte minutenlang, und ohne einen Laut von sich zu geben, auf das Amulett, ehe sie sich zu Lilith umwandte. »Es tötet die Anwärter vollkommen willkürlich?«
Obwohl es Lilith schwerfiel, gab sie sich einen Ruck und sagte in aller Offenheit: »Ja, es ist völlig unerheblich, ob der Anwärter als Thronfolger geeignet ist oder nicht.«
Rebekka drehte sich wieder zu André um. »Dann zieh es sofort aus!« Sie fummelte hastig am Verschluss herum und ihre Stimme nahm einen hysterischen Klang an. »Zieh sofort dieses Ding aus! Sofort, hast du gehört?«
André fing ihre Hände ein und hielt sie mit sanfter Gewalt in seinen. »Du weißt, dass ich das nicht kann, niemand kann diesen Verschluss jetzt noch öffnen. Ich wusste, was mich erwartet, als ich das Amulett angelegt habe, auch wenn ich natürlich gehofft habe, dass es mich erwählen würde.«
Lilith fragte sich, wie André so bemerkenswert ruhig bleiben konnte. Begriff er etwa nicht, was ihm bevorstand? Oder hatte er insgeheim mit diesem Ausgang gerechnet? Sie erinnerte sich an die Nacht, als das Bernstein-Amulett die Entscheidung über ihre Anwärterschaft gefällt hatte – sie war wie gelähmt gewesen vor Angst und Panik. Allerdings war sie auch nicht ihr ganzes Leben auf diesen Moment vorbereitet worden und hatte das Amulett ihrer Mutter aus reiner Sentimentalität angelegt.
Ein lauter, schriller Ton durchzog Chavaleen und schwoll zweimal an, ehe er wieder verstummte. »Nikolai hat Alarmstufe Gelb ausrufen lassen«, erklärte André. »Natürlich haben wir ihm sofort erzählt, dass du Rebekka eine Warnung geschickt hast und uns vermutlich eine schlimme Gefahr droht. Während wir dich suchen wollten, hat er sich angeboten, zu Razvan zu gehen und ihn über einen möglichen Angriff zu informieren.«
Lilith fröstelte, und das nicht allein wegen ihrer durchnässten Kleider. »Wahrscheinlich glaubt Nikolai, dass sein Plan kurz vor der Verwirklichung steht und sie sich gleich gegen die Vanator verteidigen müssen«, meinte sie düster. »Was tatsächlich passieren kann, denn Grigore ist über meine Flucht bestimmt nicht erfreut und spielt womöglich mit dem Gedanken, die Sprengladung auszulösen. Ich glaube nicht, dass die Schutzschilde solch einer gewaltigen Menge Dynamit standhalten.«
»Wie kann Nikolai sein Volk willentlich in so einen Kampf schicken?«, regte sich Vadim auf. »Auch wenn wegen des Alarms alle zu den Waffen greifen, gäbe es bei einem Einfall der Vanator auch auf unserer Seite viele Verluste. Wie kann ihm das nur gleichgültig sein?«
André stemmte sich in die Höhe und fasste Rebekka am Arm. »Ihr müsst so schnell wie möglich zurück nach Bonesdale! Wenn Nikolai wirklich alles so akribisch geplant hat, rechnet er bestimmt nicht damit, Lilith lebend wiederzusehen, und er wird nicht zulassen, dass sie ihn als Entführer und Verräter entlarvt. Kein Wunder, dass er gleich Alarmstufe Gelb ausrufen lassen wollte! So verhindert er nämlich gleichzeitig, dass jemand Chavaleen betreten oder verlassen kann.«
Matt hob fragend die Augenbrauen. »Was soll das heißen?«
»In wenigen Minuten wird das große Tor verriegelt, wir müssen uns beeilen, wenn wir es noch rechtzeitig erreichen wollen. Wenn nicht, dann seid ihr hier unten eingeschlossen.« Er zog Rebekka mit sich, auch wenn ihm das Laufen sichtlich schwerfiel. »Und ich kann euch bald keine große Hilfe mehr sein«, fügte er kaum hörbar hinzu.
Rebekka blieb wie angewurzelt stehen und machte sich von ihm los. »Ich werde dich auf keinen Fall allein lassen! Entweder du begleitest uns oder ich rühre mich nicht mehr vom Fleck. Dann kannst du dabei zusehen, wie ich von Nikolai oder den Vanator brutal hingerichtet werde. Vielleicht … vielleicht kann dir in Bonesdale sogar jemand helfen, den Verschluss des Amuletts zu öffnen? Unsere Magier wissen sicher, wie man den Zauber überlisten kann! Außerdem ist deine Zukunft noch nicht entschieden, denn ich kann kein Todesmal über deinem Kopf erkennen.«
Lilith wusste, dass Rebekka und sie schon zu lange fern der Oberfläche waren, um dies als sicheren Anhaltspunkt für Andrés Überleben zu werten, doch sie verzichtete auf eine entsprechende Bemerkung. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Rebekka recht hatte,
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