Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
ihren panischen, angstverzerrten Mienen konnte Lilith ablesen, dass das, was gerade geschah, nicht zum normalen Alltag der Vampire gehörte. Alles im Raum, sogar der Fußboden, schien in Bewegung zu sein, und Lilith sah, wie sich an der gegenüberliegenden Wand ein langer Riss bildete.
Rebekka klammerte sich Schutz suchend an André, während Matt reflexartig Liliths Hand ergriff und sie drückte. Genau wie damals auf dem Friedhof spürte sie, wie sich ihr Herzschlag zu beruhigen begann und sich ein fast schon magisches Band zwischen ihnen entfaltete. »Ein Erdbeben?«, fragte sie ihn, doch nicht einmal sie selbst konnte bei dem herrschenden Krach ihre Stimme hören.
Endlich ließen die Erschütterungen nach, der Lärm verebbte und zurück blieb allein das Stöhnen und ehrfürchtige Flüstern der Gäste.
»Alles in Ordnung?«, fragte André, nachdem er sich wieder gefangen hatte. »Ist jemand verletzt?«
»Ja, ich!«, quäkte eine Stimme voller Selbstmitleid. Strychnin kam schwankend auf Lilith zu und hielt sich den Kopf. »Ich war gerade auf der Jagd nach Kat… öhm, Ratten und bin die Treppe runtergefallen.«
Lilith tätschelte mit zittrigen Fingern seinen Rücken. »Das wird schon wieder!«
»War heute eine Sprengung vorgesehen?«, fragte Nikolai an Razvan gewandt.
Der Graf schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich bin mir absolut sicher! Besonders nicht zu dieser späten Stunde und in direkter Nähe des Nebikon.«
»Die Vanator«, rief André alarmiert und wurde bleich. »Sie sind an unseren Grenzen und versuchen einen Durchbruch!«
6. Kapitel
»Liebe Eltern,
heute ist der siebenundachtzigste Tag in der vampirischen Enklave, in die sich die vier Großmagier mit ihren Gehilfen und zwei hochrangigen Dämonen zur Herstellung der vier magischen Amulette zurückgezogen haben, und ich hoffe, es erfüllt euch mit Stolz, dass Euer Sohn an diesem historischen Ereignis teilnimmt. Mein Meister gönnt sich kaum Schlaf und arbeitet Tag und Nacht an der Ausarbeitung der korrekten Runenzeichen und Beschwörungsformeln des Blutstein-Amuletts. Ich möchte mir nicht anmaßen, ihn zu kritisieren, doch ich muss Euch an dieser Stelle anvertrauen, dass ihm die harte Arbeit über die Maßen zusetzt. Ich bin mir absolut sicher, dass Meister Thasmodeus vorgestern Nacht beim Setzen eines der magischen Runenzeichen die falsche Beschwörung verwendet hat, doch als ich ihn darauf hingewiesen habe, hat er mich wüst beschimpft und aus dem Labor geworfen. Da keiner der anderen Meister oder Dämonen anwesend war, gibt es außer mir weder einen Zeugen noch einen handfesten Beweis für seinen Fehler und ich habe mich entschlossen, über das Vorkommnis zu schweigen. Ich hoffe, dass ihr mein Handeln nachvollziehen könnt, denn auch wenn ich nicht genau abschätzen kann, was für Auswirkungen die fehlerhafte Beschwörung in Zukunft haben wird, so möchte ich Meister Thasmodeus nicht in Schwierigkeiten bringen oder meine Stellung bei ihm gefährden.
Herzlichst, Euer Magnus«
Brief von Magnus Briggs im Jahre 1498,
Gehilfe des Großmagiers Thasmodeus
A m nächsten Morgen saßen Rebekka, Matt und Lilith im Speisezimmer beim Frühstück und kamen sich ziemlich verloren vor. André und Nikolai hatten sie bisher nicht zu Gesicht bekommen, einzig Igor schlurfte mit einer Kanne in der Hand durch das Zimmer. Der Butler hatte ihnen die nur wenig befriedigende Auskunft geben können, dass den Vanator der Durchbruch nicht geglückt sei, sie für die näheren Einzelheiten jedoch einen der jungen Herren fragen müssten.
»Darf ich Ihnen Tee einschenken?«, fragte Igor vornehm wie immer.
Matt nickte inbrünstig. »Oh ja, bitte! Ich hab heute Nacht fast kein Auge zugemacht. Zuerst gab es diese Explosion, dann waren plötzlich alle verschwunden und für den Rest der Nacht hörte man überhaupt nichts mehr. Diese Stille hier unten hat mich fast wahnsinnig gemacht. Es war so leise, dass mir selbst meine Gedanken laut vorkamen.«
»Also ich finde es toll in Chavaleen«, meinte Rebekka verträumt und lächelte glücklich die Luft vor ihrer Nase an. »Hier könnte ich für immer leben.«
Lilith zog erstaunt eine Augenbraue hoch, wandte sich dann aber an Matt, der sich gerade ein Brötchen mit Käse belegte. »Ich habe auch nicht besonders gut geschlafen. In Bonesdale stecke ich irgendwie immer im Mittelpunkt des Geschehens, doch heute Nacht musste ich mich dauernd fragen, was wohl gerade an der Front vorgeht. Ich habe ernsthaft damit gerechnet, dass
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