Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
jeden Moment ein Vanator in mein Zimmer stürmt und mir ein Messer an den Hals hält, der reinste Albtraum.«
»Ein Albtraum?«, wiederholte Rebekka geistesabwesend. »Hast du etwa die Schutzrune vergessen zu aktiveren? Du weißt doch, dass die Todesvisionen an fremden Orten stärker auf eine Banshee einwirken.«
»Ja, das weiß ich, und nein, ich habe nicht vergessen, die Schutzrune zu aktivieren!«, erklärte Lilith genervt. »Schließlich bin ich keine Anfängerin mehr und kann alle vier Symphorien problemlos aufrufen, sogar ohne einen Duftstoff als Hilfsmittel.«
Das war nicht übertrieben, denn Imogen hatte ihr die Wichtigkeit der vier Symphorien immer wieder eingeschärft und sie unermüdlich mit Lilith geübt. Dabei handelte es sich um magische Runenzeichen, die jede Banshee in ihrem Bewusststein trug und die den Kreislauf des Lebens symbolisierten: Atme. Liebe. Beschütze. Stirb. Selbst Menschen konnten deren Macht erspüren, doch nur eine Todesfee wusste um ihre wahre Bedeutung und war eng mit ihnen verbunden. Eine Banshee sah das Leben, das kostbar und heilig war, sie spürte den Tod und fühlte den Schmerz. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Lilith die Symphorien in sich aufspüren und ihre Macht richtig einsetzen konnte, doch mittlerweile beherrschte sie es. Zum Glück, denn die Rune »Beschütze« bewahrte eine Banshee unter anderem vor den unangenehmen Todesvisionen, die Lilith am Anfang ihrer Wandlung jede Nacht aufs Neue verfolgt hatten.
»Ich war lediglich besorgt wegen der Vanator. Dass ich nicht schlafen konnte, hatte nichts mit meinen Bansheekräften zu tun!«, betonte sie.
Doch Rebekka hörte ihr offenbar überhaupt nicht zu. »Deine Todesvisionen wundern mich nicht, immerhin bist du noch ein Frischling, was deine Fähigkeiten betrifft. Du hattest Glück, dass wir so tief unter der Erde sind und dies unsere Kräfte schwächt.«
»Aber ich habe doch gar nicht …« Lilith winkte kopfschüttelnd ab. »Ach, was rede ich überhaupt mir dir!«
Seit fünf Minuten rührte Rebekka nun schon in ihrem Kaffee, ohne einen Schluck davon getrunken zu haben, und ihr dümmliches Grinsen ging Lilith so langsam mächtig auf die Nerven.
»Alles in Ordnung, Eure Ladyschaft?«, fragte Strychnin, der gerade auf den Stuhl neben ihr kletterte.
»Natürlich, alles super«, knurrte sie.
»Oh, die Heiterkeit schlägt hohe Wogen, wie ich sehe«, rief er vergnügt.
Irritiert sah Lilith ihn an. »Wie bitte?«
»Um mich besser an meine neue Heimat anzupassen, probiere ich mich ab sofort in Ironie, meine holde Herrin. Wie war ich?«
Lilith rieb sich gequält die Schläfen, während Matt leise in sich hineinlachte. »Toll, ein ironischer Dämonendiener, das wollte ich schon immer. Ich bin vom Glück beseelt.«
Strychnin hielt nachdenklich inne und breite Runzeln formten sich auf seiner Stirn. »Woher weiß man, wann etwas ironisch ist und wann nicht?«
Lilith biss in ihr Marmeladenbrötchen und erklärte kauend: »Das erschließt sich aus dem Zusammenhang.«
»Wie hängt es denn zusammen?«, bohrte er weiter.
»Je besser etwas klingt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass es ernst gemeint ist.«
Die Tür ging auf und Nikolai erschien in einem dunkelgrünen Hemd und makellos frisierten Haaren. Trotz des nächtlichen Übergriffes, wirkte er lange nicht so erschöpft und übermüdet wie seine Gäste aus Bonesdale.
»Ich hoffe, ihr hattet eine gute Nacht?«, begrüßte er sie freundlich. »Entschuldigt, dass ihr alleine frühstücken musstet, der Angriff der Vanator hat unsere Tagesplanung etwas durcheinandergebracht.«
Rebekka sprang auf, ihr glückseliges Grinsen war plötzlich wie weggewischt und hatte einer sorgenvollen Miene Platz gemacht. »Konntet ihr sie davon abhalten, in Chavaleen einzudringen?«, fragte sie atemlos. »Geht es André gut? Igor meinte zwar, dass er unverletzt sei, aber vielleicht hat dieser alte Zausel einfach vergessen, dass einem seiner Herren ein Messer in den Bauch gerammt oder ein Arm abgerissen wurde.«
»Niemand ist zu Schaden gekommen«, beruhigte Nikolai sie. »Doch wir können von Glück sagen, dass die Vanator in einem Höhlenareal hinter dem Palast die Sprengung durchgeführt haben. Dort gibt es nicht einen einzigen Tunnel, der zur Stadt führt, sondern nur meterdickes Gestein. Trotzdem sind sie uns schon viel zu nah gekommen und wir müssen uns darauf vorbereiten, dass ihre nächste Aktion erfolgreicher verlaufen wird.«
Er erklärte ihnen, dass die Tunnelzugänge nach
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