Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
die Vanator wieder einen Tipp aus euren Reihen bekommen könnten?«
»Das ist nicht auszuschließen«, räumte er ein. »Allerdings gibt es Grund zur Hoffnung, dass der Kontakt zwischen den Vanator und den Verrätern nicht allzu gut ist, ansonsten hätten sie nicht an dieser völlig falschen Stelle gesprengt. Dynamit ist teuer und für Menschen nicht so leicht aufzutreiben. Von diesem herben Rückschlag müssen sich die Vanator erst einmal erholen. Trotzdem sollten wir die Zeremonie mit den Amuletten baldmöglichst durchführen.« Er wandte sich mit einem Seufzer ab und trat an einen Tisch, der mit Büchern, Karten und Notizzetteln übersät war.
»Gut, von mir aus können wir sofort loslegen!« Lilith wollte den Verschluss ihres Amuletts lösen, doch Nikolai bremste sie, indem er ihr die Hand auf den Arm legte.
»So schnell geht es leider auch wieder nicht. Razvan hat offiziell Einspruch dagegen eingelegt, dass das Bernstein-Amulett unseren Schutzschild verstärken soll. André und ich sehen es als Zeichen unserer Freundschaft und unseres Vertrauens in die Nocturi, doch er als Gefahr. Laut den Niederschriften über die Amulette kannst du nach dem Zusammenschluss mit deinem Bernstein-Amulett Chavaleen jederzeit und an jedem beliebigen Zugang betreten, selbst wenn du uns als Gast nicht willkommen wärst. Weitaus schwerwiegender ist allerdings, dass ihr den Schutz auch ohne unsere Zustimmung komplett aufheben und somit den Weg für die Vanator frei machen könnt.«
Lilith runzelte die Stirn. »Aber warum sollten wir das tun? Wir haben euch geholfen, den Schutzschild überhaupt erst zu erschaffen.«
»Genau das habe ich ihm auch gesagt, doch er beharrt darauf, dass man nie wissen könne, wie sich Allianzen im Laufe der Zeit entwickeln, und Freunde leicht zu Feinden werden.« Er durchsuchte einen Stapel Papiere, während er verärgert das Gesicht verzog. »Ich habe lange mit Razvan darüber diskutiert, leider vergeblich. André könnte ihn wahrscheinlich zur Vernunft bringen, aber seit ihr bei Vater wart, weicht mein Bruder nicht mehr von seiner Seite. Ich habe André deswegen versprochen, ihm die Organisation für die anstehende Zeremonie abzunehmen. Du hast wahrscheinlich bemerkt, wie sehr die beiden aneinander hängen.«
Lilith nickte peinlich berührt, denn automatisch erinnerte sie sich an die Szene, wie Vadim seinen ältesten Sohn so rüde zurückgewiesen hatte, und als hätte Nikolai ihre Gedanken erraten, sagte er: »Es tut mir leid, dass André und ich uns am Bett unseres Vaters gestritten haben, dabei haben wir wohl keinen besonders guten Eindruck auf euch gemacht. Mir lag wirklich nur Vaters Wohl am Herzen, ich wollte ihn schützen.«
»So schlecht, wie es ihm ging, hattest du dazu auch allen Grund.« Lilith zog bedrückt die Schultern hoch. »Eigentlich konnten wir kaum etwas für Vadim tun und wahrscheinlich habt ihr euch von unseren Fähigkeiten viel mehr versprochen.«
Er gab seine Suche in dem Papierstapel auf und durchforstete nun einen Berg von Manuskripten. »Ganz umsonst war euer Besuch sicherlich nicht, immerhin habt ihr bestätigt, dass Vater nicht mehr viel Zeit bleibt, und so können sich André und Vadim noch über die Details der Nachfolge austauschen. Wegen der Vanator und den Unruhen im Volk ist das Erbe, das André antreten muss, nicht gerade leicht, und Vater kann ihm wertvolle Tipps für die erste Zeit des Wechsels mit auf den Weg geben.«
»Du bist der Erstgeborene, warum bist eigentlich nicht du …«
Sie stockte, da ihr die Frage plötzlich ziemlich taktlos vorkam.
»Warum ich nicht als Nachfolger bestimmt wurde?«, entgegnete Nikolai mit einem unbekümmerten Lächeln. »Du hast recht, eigentlich würde mir der Thron zustehen. Auch wenn wir uns sehr ähnlich sehen, sind André und ich nur Halbbrüder, deswegen auch der große Altersunterschied. Meine Mutter stammt aus einer Adelsfamilie aus dem Norden Russlands, sie hat sich hier unter der Erde nie wohlgefühlt und sehr gelitten, die meiste Zeit hat sie sich in die Welt der Bücher geflüchtet. Als ich die Volljährigkeit erreichte, haben sich meine Eltern zur Trennung entschieden und Mutter ist nach Russland zurückgekehrt. Wenig später heiratete Vater erneut und André wurde geboren.« Mittlerweile hatte er den Manuskriptstapel erfolglos durchgearbeitet und rieb sich ratlos die Stirn. »Wo habe ich nur dieses Notizbuch über die vier Amulette hingelegt?«
»Soll ich dir suchen helfen?«, bot Lilith an.
Er winkte ab.
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