Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
sie es beim letzten Zusammentreffen mit Belial gemeinsam mit Strychnin geschafft hatte, den Erzdämon zu verjagen. Ihr wurde bewusst, dass sie diese Siege nicht unbedingt ihrer Entschlossenheit zu verdanken hatte, sondern etwas viel Wertvollerem, etwas, das Belial nie besitzen würde: wahre Freunde.
»Wenigstens hat euch bisher nur der Erzdämon heimgesucht«, fuhr Nikolai fort. »Wenn es den Malecorax oder den gestaltlosen Dämonen gelingen sollte, ihrem Herrn zu folgen, brechen für Bonesdale und den Rest der Welt düstere Zeiten an.«
»Das darf ich mir gar nicht erst vorstellen.« Lilith überlief eine kalte Gänsehaut. »Es muss schrecklich gewesen sein, als die gestaltlosen Dämonen bei der Schlacht am Schattenportal die Nocturi in Besitz genommen und ihrem Willen unterworfen haben. Die Dämonen sind so herzlos und grausam!«
Nikolai wiegte nachdenklich den Kopf. »Wenn man große Macht besitzt, ist es schwer, der Versuchung zu widerstehen, sie auch einzusetzen. Und je mehr bei einem Kampf für eine Partei auf dem Spiel steht, umso stärker leiden in der Regel die moralischen und ethischen Grundsätze. Von ihrer Seite aus betrachtet, hatten die Dämonen gute Gründe, sich so zu verhalten.«
»Du bist auf ihrer Seite? Nach allem, was sie getan haben?« Lilith sah ihn völlig entgeistert an. »Auch wenn ich mir über vieles in der Welt der Untoten noch nicht im Klaren bin, weiß ich immerhin eines mit absoluter Sicherheit: Ich muss die Dämonen daran hindern, den Pakt der Vier aufzuheben! Es darf nie wieder so weit kommen, dass sie sich in unserer Welt wie gottgleiche Herrscher aufführen und unschuldigen Menschen ihren Willen aufzwingen«
Nikolai setzte sich auf und warf Lilith über den Rand seiner Brille einen schneidenden Blick zu. »Ich bin nicht auf ihrer Seite!« Er stellte scheppernd sein Glas auf dem Tisch ab. »Ich denke nur, dass die Dämonen verzweifelt waren und unbedingt siegen wollten. Jede Partei in diesem Kampf hatte ihre eigene Motivation und man sollte nicht jemanden vorschnell als grundsätzlich böse verurteilen. Abgesehen davon sind die Menschen, die du unbedingt vor ihnen schützen willst, auch nicht viel besser.«
Entrüstet über diesen Vorwurf schnappte Lilith nach Luft.
»Wir haben vielleicht unsere Fehler, aber so schlimm wie die Dämonen sind wir bestimmt nicht.« Automatisch hatte sie sich selbst zu den Menschen gezählt und wahrscheinlich würde sie sich immer beiden Welten zugehörig fühlen.
»Dann scheinst du dich, für die Tochter eines Historikers, in der Geschichte der Sterblichen nicht besonders gut auszukennen. Die Dämonen haben bei uns eine neue Welt entdeckt, genau wie die Europäer damals mit der Entdeckung Amerikas. Erinnerst du dich, wie sie mit den Ureinwohnern umgegangen sind? Sie haben sie belogen, ihr Land und ihre Schätze geraubt, sie unterdrückt, gequält und getötet. Genau wie die Dämonen hatten sie die Macht und setzten sie zu ihrem Vorteil ein.«
»Ja, aber … aber …«, stammelte Lilith und suchte nach einer passenden Entgegnung. »Das waren Männer!«
Okay, das war kein besonders scharfsinniges Argument und sie konnte es Nikolai nicht verübeln, dass er sie irritiert anblinzelte.
»Die Hälfte aller Lebewesen sind Männer, du scheinst kein besonders gutes Bild von uns zu haben.«
»Nicht von allen«, wiegelte sie sofort ab und machte eine vage Handbewegung. »Eher so in der Gesamtheit. Ich glaube, die Welt wäre ein friedlicherer Ort, wenn mehr Frauen an der Macht wären.«
»Vielleicht hast du damit sogar recht.« Er schwieg einen Moment, dann umspielte ein mildes Lächeln seine Lippen. »Somit bist du als Führerin der Nocturi doch genau am richtigen Platz, oder?«
Damit lag er gar nicht so falsch: Die Position, in die sie so unfreiwillig hineingeraten war, bot ihr tatsächlich die Chance, etwas zu bewegen. Vielleicht besaß sie damit die Möglichkeit, die Welt ein kleines Stück besser zu machen.
Nikolai erhob sich. »So langsam sollte ich mich wieder auf die Suche nach dem Notizbuch machen, das ich dir mitgeben möchte. Ich hoffe, wir werden bald fündig, denn ich wollte vor dem Abendessen noch bei Vater vorbeisehen.«
Auch Lilith stand auf und folgte ihm an einen Tisch, auf dem weitere Bücher, Notizen, Zeichnungen und halb fertige Experimente wild verstreut lagen. »Wie geht es Vadim denn?«, fragte sie vorsichtig.
Nikolais Hände, die geschäftig die Unordnung durchsucht hatten, erstarrten mitten in der Bewegung. Er lehnte
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