Lilith Parker
Wohnzimmer der Middletons war mit Sesseln und Kommoden vollgestopft, bunt gemusterte Läufer lagen kreuz und quer auf dem Boden und an den Wänden hingen an jeder freien Stelle Bilder, Urlaubssouvenirs und Familienandenken. Gerade stieà Lilith gegen einen mit Büchern und Zeitschriften beladenen Tisch, der daraufhin bedenklich ins Schwanken kam.
»Wo hast du eigentlich Strychnin gelassen? Ich dachte, er wollte unbedingt mit auf unseren Ausflug.«
»Ich konnte ihn auch nur mit Mühe davon abhalten«, gab Lilith zu. »Aber ich habe ihm dafür gestattet, dass er heute Abend ins Schattenreich zurückkehren darf. Er vermisst seine alte Heimat.«
»Du erlaubst ihm, ins Dämonenreich zu gehen?«, fragte Emma fassungslos. »Ich an deiner Stelle würde ihm nicht so viele Freiheiten lassen und ihn lieber im Auge behalten. Immerhin ist er â¦Â«
»Ein Dämon, ja, ich weië, fiel Lilith ihr seufzend ins Wort.
Sie blieb vor einigen Porträts stehen, bei denen es sich um Emmas weibliche Hexenvorfahren handeln musste, jedenfalls nach den langen gebogenen Nasen zu urteilen. Sie beugte sich über ein goldenes Schild unter einem der Bilderrahmen: »Esmeralda von Wolkenberg, Wetterhexe.« Ein sanfter Windstoà strich über ihr Gesicht und Lilith schrak überrascht zurück.
Emma warf ihr einen stolzerfüllten Blick zu. »Die Porträts wurden mit einer magischen Tinktur getränkt, die dem Betrachter die jeweilige Hexenkraft meiner Ahninnen vorführt. Ein sehr kompliziertes Verfahren.«
Lilith ging zum nächsten Bild über. »Henriette Stachelkuss ⦠ähm, Liebeshexe?« Prompt spürte sie, wie ihr ein unsichtbarer Mund einen äuÃerst kratzigen Kuss auf die Wange drückte.
»Igitt!« Sie verzog das Gesicht, während Emma lauthals losprustete. »Du hättest mich ruhig vorwarnen können.«
»Wenn ich mich erst einmal zur Hexe gewandelt habe, dann verbinde ich mich mit einem Heildämon, genau wie meine Mutter«, sagte Emma in verträumtem Tonfall. »Es ist sicher ein groÃartiges Gefühl, wenn man den Kranken ihre Schmerzen nehmen und sie von ihren Leiden heilen kann.«
Lilith starrte angestrengt auf die Hexenporträts. Ob sie Emma sagen sollte, dass sie von Scrope die Wahrheit erfahren hatte? Aber immer wenn Emma mit ihr über ihre Wandlung sprach, lagen so viel Hoffnung und Sehnsucht in ihren Worten. Wenn Emma sie in dem Glauben lassen wollte, dass alles gut werden würde, dann sollte es am besten so bleiben!
Lilith steckte frustriert die Hände in die Hosentaschen. Sie hatte sich immer für einen wahrheitsliebenden Menschen gehalten und jetzt musste sie sich so langsam eine Liste ihrer Geheimnisse anlegen, damit sie nicht den Ãberblick verlor. Da war zum einen Matts Mutter Eleanor, die immer noch dachte, sie wohne in einem ganz normalenInselstädtchen, und immer wenn Lilith bei den OâConners zu Besuch war, musste sie über jeden Satz, den sie von sich gab, zur Sicherheit zweimal nachdenken. Dann war da noch Mildred, die nichts von dem geplanten Ausflug zum Friedhof wusste. Emma ahnte nicht, dass Lilith von Scrope über die Unwahrscheinlichkeit ihrer Wandlung informiert worden war, und auÃer Matt, Emma, Strychnin und Mildred wusste niemand, dass sie das Tor zu Nightfallcastle nicht aufbekommen hatte â Mannomann! Obwohl sie sich bei Letzterem gar nicht so sicher war â¦
Lilith lieà sich neben Emma auf das Sofa fallen. »Scrope weiÃ, dass mich die Wächter nicht durchgelassen haben, da bin ich mir sicher. Als wir oben vor dem Tor standen, hatte ich die ganze Zeit über das Gefühl, dass uns jemand beobachtet. Das war bestimmt er!«
Emma warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu. »Ausgerechnet Scrope? Er ist wirklich nicht der Typ, der sich an einem kalten Wintertag wie ein Guerillakämpfer durchs Unterholz pirscht.«
Lilith musste zugeben, dass das tatsächlich nicht zu ihm passte.
»Da gäbe es auf alle Fälle andere Kandidaten, denen ich das eher zutrauen würde«, fuhr Emma fort. »Zum Beispiel diese doofe Rebekka. Die hat sich doch nur deswegen freiwillig gemeldet, um die Hydra zu streicheln, damit du als Angsthase dastehst.«
»Schon«, entgegnete Lilith zögerlich. »Aber vielleicht hat sie sich nicht viel dabei gedacht, als sie sich gemeldet hat.«
Emmas Augenbrauen schossen ungläubig in die
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