Lilith - Wunschlos gluecklich
»Danke.«
»Ich hatte doch erwähnt, dass du dich nicht daran gewöhnen sollst, oder? Ja, ich weiß es genau, du warst gestern Nacht auch anwesend.«
Sie nickte. »Hattest du. Nur leider zu spät.« Sie lächelte und hielt ihm die Tür auf. »Nach dir. So hab ich dich besser im Blick, nicht, dass du mir wieder verschwindest.«
Wie konnte er nur so weit sinken? Aber die bessere Frage war, konnte er noch weiter sinken?
Die Antwort lautete: Ja, er war gerade dabei.
»Bist du nun sauer auf mich?«
Aufstöhnend schüttelte er den Kopf, als er durch die Tür hindurch an ihr vorbeischritt.
»Setz dich«, bat sie ihn in der Küche und zog ihm einen Stuhl zurecht. Ihre Mutter, die gerade am Herd beschäftigt war, drehte sich zu ihnen herum.
»Bitte?«
»Nichts«, erwiderte Lilith. »Ich habe nicht mit dir gesprochen.« Sie wandte sich wieder ihm zu. »Hunger?«
Er sah sie fragend an und auch ihre Mutter drehte sich erneut mit gerunzelter Stirn zu ihr um.
»Liebling … geht es dir nicht gut?«
»Doch, doch, alles bestens, Mom. Ich dachte nur, ich übe heute Morgen mal ein wenig für das Theaterstück«, log sie, ohne rot zu werden.
»Ach so, na dann.« Ihre Mutter wandte sich wieder der vor sich hinbrutzelnden Fleischpfanne zu.
Lilith tat so, als würde sie ihn auf den Stuhl schubsen. Also folgte er ihrer gespielten Anweisung und setzte sich. Zufrieden lächelnd ging sie zum Schrank und zog eine Müslipackung hervor, die sie ihm schüttelnd und gleichzeitig fragend entgegenhielt.
Luc lehnte ebenfalls kopfschüttelnd ab. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, genau, wie sie auch ihn beobachtete, und Luc musste leider einsehen, dass sie anscheinend vollkommen glücklich war. Wunschlos glücklich, um genau zu sein. Und dieses Desaster war sogar noch seine eigene Schuld. Ihr einziger Wunsch, momentan zumindest, war der, dass er blieb. Und sie wollte es so sehr, dass sie dafür sogar einen Wunsch genutzt hätte, wäre er nicht so … so emotional menschlich gewesen.
Sie saß ihm mit einem strahlenden Lächeln um ihre Lippen gegenüber und löffelte ihre gesamte Schale Müsli in Rekordgeschwindigkeit leer. Ganz im Gegensatz zu gestern Morgen. Nach dem Frühstück stellte sie ihr Geschirr in den Spüler und ging an ihm vorbei.
»Kommst du?«
Luc achtete nicht mehr auf die Reaktion ihrer Mutter und folgte ihr nach oben. »Du denkst aber schon daran, dass mich niemand außer dir sehen oder hören kann? Meinst du nicht, dass es irgendwie befremdlich auf andere wirkt, wenn sie sehen, wie du plötzlich mit dir selbst kommunizierst?«
Sie setzte sich aufs Bett und klopfte neben sich auf die andere Hälfte. Es war ihr Wunsch, dass er sich neben sie setzte, das spürte er und er gehorchte … einfach so.
»Das ist mir egal. Ich kann dich nicht ignorieren, nur weil dich die anderen nicht sehen können. Wenn ich mit dir rede, dann fühle ich, dass du echt bist.«
Er bemerkte erneut ihren Wunsch, ihn berühren zu können, und er erinnerte sich daran, wie er mit seinen Fingern über ihre warme Wange geglitten war. Es war ein wunderschönes, prickelndes Gefühl gewesen, als er ihre Haut unter seinen Fingern gespürt hatte. Sie könnte es sich wünschen, das wusste sie. Fast hoffte er darauf – dann wieder nicht. Und er wusste, wenn sie auch nur eine Andeutung machen würde, er würde ihr diesen Wunsch gewähren, ganz ohne Gegenleistung. Das war verrückt! Er war verrückt. Verdammt!
Sie seufzte, wandte den Blick von ihm ab und ging zum Schreibtisch. Aus ihrer Schultasche kramte sie einige Hefte und Bücher hervor. »Ich könnte ein wenig Nachhilfe in Mathe gebrauchen … Hast du Lust, mir zu helfen?«
»Wieso nicht, irgendwie müssen wir den Tag ja rumkriegen.«
Ihr Blick wurde ernst. »Ich wünschte …«
Sein stummes Herz rutschte aus seiner Brust.
»Nein, anders …«, begann sie von vorn. Er atmete erleichtert auf. »Ich möchte wissen, wenn dir etwas gegen den Strich geht. Ich möchte, dass du dich hier wohlfühlst. Du bist kein Gefangener meiner drei Wünsche. Ich meine, sag mir einfach, wenn du es satthast, und nach Hause willst. Okay?«
Er nickte.
Sie kam mit ihren Matheheften zurück zum Bett. Er gab sein Bestes, um ihr die Gleichungen, mit denen sie Probleme hatte, plausibel zu machen. Sie lagen nebeneinander, die Bücher vor ihnen ausgebreitet. Luc erklärte, sie hörte zu. Sie fragte, er erklärte wieder. Sie lachten und blödelten. Es machte Spaß, mit ihr zusammen zu sein. Immer wieder schlug sie
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