Lilith - Wunschlos gluecklich
kennenzulernen.«
Auch wenn sie nun ein wenig einsilbig klang, fragte sie erneut: »Warum?«
Er druckste ein wenig herum. Es schien ihr fast so, als wäre er plötzlich nicht mehr so selbstsicher wie noch vor einigen Minuten. Als sie skeptisch die Stirn runzelte, wiegelte er ab. »Ich kann dir leider nicht alles sagen, noch nicht. Aber bitte glaube mir, wenn ich sage, dass ich dich nie belügen würde. Niemals!« Ein unsicheres Lächeln funkelte über sein Gesicht und erweichte ihr Herz. Er gab sich wirklich Mühe. Vielleicht sollte sie ihrem Bauchgefühl eine Chance geben … auch wenn sie eher ein Kopfmensch war.
»Danke für das Preisgeld«, sagte sie und versuchte, lockerer zu werden. Es gab wirklich keinen Grund, in seiner Gegenwart ständig zu verkrampfen. Zumindest, wenn man Camille glaubte. Sein zögerliches Lächeln wechselte zu einer gelassenen Souveränität und sein Gesicht wurde von diesem Strahlen angesteckt. Gleich darauf schien eine große Last von ihm zu fallen und sein Körper nahm eine entspanntere Haltung ein. Sie war also nicht die Einzige, die hier verkrampft war.
»Gern geschehen, du hast es verdient.«
Lilith stieß sich sachte vom Eis ab und lotste Luc zum Rand des Sees. »Ich frag besser nicht, wieso.«
Sie setzten sich auf eine Bank und sahen den anderen schweigend zu, wie sie mal mehr, mal weniger elegant über das Eis schlitterten. Luc war bestimmt kein schlechter Mensch, und da er auch noch in ihrer Jahrgangsstufe war, konnte sie ihm wohl nicht mehr aus dem Weg gehen. Also beschloss sie, es einfach darauf ankommen zu lassen. Sie neigte ihren Oberkörper in seine Richtung und hielt ihm die Hand entgegen.
»Hi. Ich bin Lilith. Lilith Winters.« Als sein Gesichtsausdruck nur Verwirrung widerspiegelte, ergänzte sie: »Ich dachte, wir fangen wirklich von vorn an. Ganz von vorn.«
Er nickte und ergriff ihre Hand. »Hi, nett dich kennenzulernen. Ich bin Luc Malone.«
Er lächelte zufrieden, und sie wusste überhaupt nicht, was in diesem Moment in sie gefahren war, aber urplötzlich hörte sie sich sagen: »Also … Ich hasse es, Mr. Garner zuzustimmen, aber ich bin wirklich grausam schlecht in Mathe. Vielleicht hast du ja doch mal Zeit, um …«
»Jederzeit!«, unterbrach er sie freudestrahlend.
Sie wartete, aber er sprach nicht weiter. »Willst du nicht fragen, wann ich Zeit habe?« Dafür, dass er seit Tagen hinter ihr her war, schien er es nun nicht mehr sehr eilig zu haben.
»Das überlasse ich dir. Ich möchte dich nicht gleich wieder vergraulen.« Erstaunt zog Lilith die Stirn kraus. »Na ja … Du meintest, ich sei ein Stalker. Das ist nicht der Eindruck, den ich bei dir hinterlassen will. Nie wieder. Ich möchte eigentlich nur, dass du mich wieder …« Er seufzte. »Weißt du was, vergiss es. Sag mir einfach, wann und wo, ich werde da sein.«
»Okay«, erwiderte Lilith gedehnt und überlegte, ob er gerade wirklich betrübt klang, oder ob sie sich das vielleicht nur eingebildet hatte. Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte, dass es heute definitiv schon zu spät dafür war. Egal, wie nötig sie die Nachhilfestunden hatte, heute würde sie nach dem Abendessen nur noch todmüde in ihr Bett fallen. »Wie wäre es morgen? Du könntest gleich nach der Schule mit zu mir. Meine Mom ist eigentlich eine ganz annehmbare Köchin. Du könntest bei uns zu Abend essen.«
»Klingt gut.«
»Okay. Also, ich werd dann mal. Ich bin ziemlich kaputt heute.«
Seine Miene zeigte Besorgnis. »Geht es dir nicht gut?«
»Doch, doch. Mir geht es gut«, wehrte sie ab. »Ich schlafe momentan nicht so gut. Du weißt schon … Albträume und so ’nen Shit. Na ja, nachts kann ich nicht schlafen und tagsüber bin ich einfach oft nur müde … So wie jetzt.« Warum hatte sie ihm das bloß erzählt?
»Das tut mir leid«, flüsterte er und senkte den Blick.
»Hey …«, Lilith lachte, »… kein Ding. Ich geh heute einfach früh zu Bett. Vielleicht hab ich ja Glück und die Albträume machen heute Nacht einen Bogen um mich.« Doch sie wusste genau, dass Glück damit nichts zu tun hatte. Ihre Albträume würden erst enden, wenn ihre Seele aufhörte zu weinen. Aufseufzend zog sie ihre Schlittschuhe aus und bückte sich nach den Stiefeln, die sie zuvor neben der Parkbank abgestellt hatte.
Neben ihr ertönte ein Räuspern. »Gehen die anderen auch nach Hause?«
Lilith hob den Blick und sah auf den schwach von Laternen beleuchteten See hinaus. Ihre Freunde schienen noch jede Menge Spaß zu haben.
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