Lilith - Wunschlos gluecklich
um ihre große Liebe zu suchen. Jack schloss erneut die Augen und schlich sich in Liliths Kopf. Was er hier tat, war unter Strafe verboten. Viele Dschinn, einschließlich Luc, hatten keine Ahnung, zu welchen genialen Dingen sie eigentlich in der Lage waren, wenn sie nutzten, was ihnen von Natur aus zur Verfügung stand. Aber dies war auch gut so.
Jack wusste, was er suchte, und wurde daher auch sehr schnell fündig. Es war eine angenehme, warme Stimme, samtig und süß, die aus ihm hinausströmte, als er sich aus ihr zurückgezogen hatte und wieder neben ihr stand.
»Lilith, Liebes, geh zu dem Club. Aber beeil dich, mein Kind.«
*
Immer noch kniete Lilith weinend auf dem Fußboden und immer mehr Bilder, Erinnerungen und Emotionen strömten auf sie ein. Ganz viele Details, an die sie sich plötzlich wieder erinnerte. Ihr war, als hefteten sich Tausende kleiner Post-its in ihren Hirnwindungen ab und auf jedem stand eine neue Information über Luc. Dinge, die sie wirklich mit Luc erlebt hatte. Gemeinsamkeiten und Gefühle, die sie verbanden. Aber dann waren da noch andere, neuartige Bilder in ihrem Kopf. Sie sah Einzelheiten, die unmöglich der Wahrheit entsprechen konnten. Ein Haus, Lucs Zuhause. Sie sah sein Zimmer, seine Eltern, Freunde, ein Motorrad, das anscheinend seines war. Lilith kannte plötzlich die Straße, in der er wohnte, die Hausnummer. Sie sah seinen Nachnamen auf einem Klingelschild, seine Handynummer, seine Lieblingsband – einfach alles.
»Liebes, geh zu dem Club. Aber beeil dich, mein Kind.«
Ein Stromschlag traf sie mitten ins Herz. »Granny?« Lilith schluckte ihre erneut aufkeimenden Tränen hinunter und sah sich ungläubig in ihrem Zimmer um. »Granny, bist du das?«
Ruckartig setzte sie sich auf. Das war wirklich und wahrhaftig die Stimme ihrer Großmutter gewesen. Sie konnte es kaum glauben. So lange hatte sie diese Stimme nicht mehr gehört. Und doch hätte Lilith sie unter Tausenden wiedererkannt, denn sie hatte diese Stimme und deren Klang schmerzlich vermisst. Großmutter war hier, sie ließ sie nicht im Stich. Das hatte sie nie getan, auch jetzt nicht. Nun wusste Lilith, was sie zu tun hatte. »Danke, Granny, ich liebe dich.«
Plötzlich kam ihr wieder die Kugel in den Sinn und worüber sie schon des Öfteren in den vergangenen Tagen nachgedacht hatte. Sanduhr … Zeit … Ticktack … Waren es tatsächlich Lucs Sterne, die täglich daraus verschwunden waren? War es seine Zeit, die darin verstrichen war? Und wenn ja, wie viel Zeit blieb ihm noch? Wie viel Zeit hatte sie noch?
Lilith sprang auf die Beine und stürzte ins Bad. Innerhalb von zehn Minuten war sie wieder in einem einigermaßen vorzeigbaren Zustand. Es musste ausreichen, denn sie wollte so schnell wie möglich sehen, ob sich Grannys Tipp als richtig erwies. Sie hastete die Treppe hinunter. »Bin noch mal kurz weg«, rief sie ihren Eltern im Wohnzimmer noch schnell zu und verschwand durch die Garage nach draußen. Aus dem Lauf schwang sie sich auf ihr Fahrrad und trat wie eine Besessene in die Pedale. Das Ziel war ihr Lieblingsclub in der Nähe des Einkaufszentrums inmitten der Stadt.
Wenn sie doch nur schon am Mittag gewusst hätte, dass er noch vor Kurzem die Liebe ihres Lebens gewesen war. Wie hatte sie ihn nur vergessen können? Wieso hatte er sich nicht klarer ausgedrückt? Vielleicht hätte sie ihm dann eher geglaubt …
Ihr Herz pochte wie wild, was nicht nur daran lag, dass ihr bei diesem Sprint langsam die Puste ausging. Die Vorfreude wich mittlerweile einer erdrückenden Nervosität. War er immer noch da? Und wenn ja, würde er sie noch wollen? War sie zu spät? Was sollte sie zu ihm sagen? Wie ihn um Verzeihung bitten?
Der aufkommende Abendwind zog kalt und unnachgiebig an Liliths Haaren. Er biss ihr ins Gesicht und trieb ihr Tränen in die Augen, er drückte sich aufbäumend gegen ihre Brust und lähmte ihre Glieder. Dennoch gab sie nicht nach. Unerbittlich trat sie in die Pedale und mit jeder Umdrehung kam sie ihrem Ziel näher – ihrer Liebe – Luc!
Langsam kamen die Lichter des Einkaufszentrums auf sie zu, und je größer die Leuchtreklamen an dem Gemäuer wurden, desto leichter wurde ihr ums Herz.
Ziemlich atemlos schob sie ihr Rad in einen der dafür vorgesehenen Ständer, die vor dem Einkaufszentrum verteilt umherstanden. Staksig hantierten ihre vom Fahrtwind eiskalten Hände mit dem Schloss. Sie bemühte sich vergeblich, die Eisenstange mit dem Vorderrad zu verbinden. Zu steif
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