Lilith - Wunschlos gluecklich
waren ihre Finger nach der zwanzigminütigen Fahrt in der rauen Kälte.
»Scheiß drauf!« Sie ließ sie achtlos zu Boden fallen und stürmte zum Eingang des Cadillacs. Er leuchtete ihr einladend entgegen. Ihre Schritte wurden langsamer, zögernder, dann blieb sie stehen. Ihr war übel.
Doch schon wenige Sekunden später trieben sie ihre Beine weiter vorwärts und sie gehorchte. Langsam, aber immerhin. Sie ging nicht rückwärts. Was im Moment schon ein Fortschritt war, denn sie fürchtete sich davor, dass Luc sie nicht mehr lieben könnte, nach all dem, was sie ihm angetan hatte. Da sie sich an ihn erinnerte, an ihn und ihre Liebe, konnte sie sich nicht vorstellen, jemals wieder ohne ihn zu sein.
Lilith stoppte am Eingang und ließ ihre Augen den gesamten Raum absuchen. Sie wurde schnell fündig. Einsam und verlassen saß Luc, den Kopf auf seine Hände gestützt, an einem der hintersten Tische und stierte in ein Teeglas. Sein langer Pony hing ihm über die Augen und verdeckte Lilith die Sicht auf das schönste Grün dieser Erde. Ein Ruck in ihrem Körper wollte sie vorwärtspeitschen, aber sie bremste sich, denn ihr kam eine bessere Idee. Schnell angelte sie ihr Smartphone aus der Tasche und suchte auf Youtube nach einem bestimmten Musiktitel. Dank Luc war ihr Musikordner ja wie leer gefegt. Schnell fündig geworden, lud sie es sich auf ihr Handy herunter, zumindest versuchte sie es. Der Ladebalken kroch nur zaghaft auf ihrem Bildschirm voran und sie trat ungeduldig auf der Stelle. Es schien eine Ewigkeit zu dauern und beinahe hätte sie sich vor lauter Ungeduld doch noch umentschieden.
Kaum war das Lied abgespeichert, schickte sie es an die Handynummer, die ihr durch den Kopf gejagt war. Es war befremdlich, dass sie, wo sie doch mit Zahlen überhaupt nicht gut konnte, sich noch immer an die Telefonnummer erinnerte. Ihn ließ sie bei der ganzen Prozedur nicht aus den Augen.
*
Das Summen seines Handys riss Luc aus seiner Lethargie. Vor Schreck hätte er beinahe ein zweites Mal das Teeglas vom Tisch gefegt. Seit er dieses kleine Kommunikationswunder der Technik besaß, hatte es noch nie einen Ton von sich gegeben. Wie auch? Niemand kannte ihn und somit auch nicht die zum Handy gehörende Nummer.
Er fischte es aus seiner Hosentasche und begutachtete das Display. Darauf war der Eingang einer SMS verzeichnet. Eine unbekannte Rufnummer, kein Text, dafür aber mit Anhang. Eigenartig. Neugierig drückte er auf Öffnen. Kurz darauf bekam er eine Musikdatei angezeigt. Es war ‚Wish you were here’ von Avril Lavigne. Die Sängerin kam ihm bekannt vor, der Titel sagte ihm nicht das Geringste. Neugierig drückte er auf Start.
Beruhigende Gitarrenklänge ertönten, dann begann eine Frau zu singen … und Luc stockte der Atem. Der Text traf ihn mitten ins Herz. O mein Gott … das konnte nur eines bedeuten. Sie war hier. Sie musste hier sein. Luc sprang auf. Hektisch suchte er den gesamten Raum nach ihr ab, suchte nach dem Gesicht, das er mehr als alles andere auf dieser Welt begehrte, suchte die seidigsten schwarzen Haare, die zauberhaftesten blauen Augen und die zartesten Lippen in diesem Universum. In Lichtgeschwindigkeit flogen seine Augen über die anwesenden Gäste, taxierten jedes weibliche Wesen im Cadillac, bis sie fündig wurden.
Lilith stand an der Eingangstür und spähte unsicher zu ihm herüber. Ein verlegenes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel und selbst aus dieser Entfernung sah er Tränen in ihren Augen glitzern.
»Lilith …« Er seufzte, stieß sich vom Tisch ab und quetschte sich so schnell es möglich war durch die Menschenmassen. Kurz verlor er sie aus den Augen, aber nur, weil auch sie sich in Bewegung gesetzt hatte und ihrerseits auf ihn zustürmte.
»Luc!«
»Lilith!«
Als sie sich endlich gegenüberstanden, sprang Lilith in seine für sie leicht geöffneten Arme, schlang ihre Beine um seine Hüften und krallte sich schluchzend an ihm fest.
»Lilith.« Er vergrub seine Nase in ihren Haaren und sog ihren wunderbar vertrauten Duft tief in seine Lungen. »Ich kann nicht fassen, dass du einem wildfremden Jungen einen Wunsch erfüllt hast.«
Ohne ihn loszulassen, wich Lilith mit ihrem Oberkörper nur ein klein wenig zurück und sah ihn mit großen, aber vor allem rot verweinten Augen an. »Du bist kein Fremder!«
»War ich aber.« Er lächelte.
Um sie herum tobte das Leben, hier und da stießen Fremde gegen sie, drückten und schoben sie aus dem Weg. Doch Luc blendete alles
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